Dienstag, 1. November 2011

Seelensammler

1279 Freunde hat er.
1517 Freunde hat sie.
Freunde am Fließband.
Internetfreunde.

Anfragen von Menschen, die das Ziel ihrer Anfrage nicht kennen.
Anfragen von Menschen, die einen selber noch nie gesehen haben.
Das Soziale Internetnetzwerk hat mich ihnen vorgeschlagen.
Weil mein Job kompatibel ist?
Weil meine politische Einstellung kompatibel ist?
Weil mein soziales Profil passen könnte?

Ich wurde angefragt.
Wie so oft.
Soll ich zusagen?
Soll ich ja klicken?

Ich sehe mir die Seite des Anfragers an.
Jemand mittleren Alters.
Eigentlich ein ganz sympatisches Foto.
Eine vierstellige Freundeszahl prangt auf dem Profil.
Freundeszahl? Ich würde die Bezeichnung "Zahl der Kontakte" vorziehen.

Stark engagiert der Mensch. Lebt 100te Kilometer weg.
Er tanzt auf vielen Hochzeiten.
Ist Fan von Minister X und ist befreundet mit Ministerpräsident y.
Engagiert sich zur Rettung des geschweiften Schwieselwumpfs.
Und ist auch noch Mitglied im Kreis der Hobby-Entscheider von Schwadronage.

Wie ist er auf mich gekommen?
Weil ich so toll blogge?
Weil ich so toll vernetzt bin?
Weil ich bei einem gemeinsamen Freund etwas Geistreiches auf dessen Pinnwand geantwortet habe?
Oder wars nur wieder mal das Computerprogramm des Netzwerkbetreibers? 

Ich selber?! Wie bin ich?
Bin ich in diesem Punkt besser als er?
Ich habe "nur" 439 Kontakte.
Gut. Ich habe viele davon über meinen Beruf kennengelernt.
Einen Beruf, der viel mit Menschen zu tun hat. Und mit Meinungen.
Wieviele davon sind wirkliche Freunde?
Oder wie viele sind wenigstens bessere Bekannte?

Wer würde offiziell im Web mit mir "befreundet" bleiben?
Bei schwerer Krankheit?
Bei Jobwechsel?
Bei sozialer Schieflage?
Bei Änderung von Lebenseinstellungen?
Bei Gegenwind?
150? 100?

Die 150 oder 100 würden warum vernetzt bleiben?
Aus Bequemlichkeit?!
Aus Neugierde?
Aus Lust am Tratsch?

Wie viele davon würden mich auf der Straße noch grüßen wenn es mal wirklich bescheiden käme?
30? Oder 20?
Wie viele könnte ich ohne Reue anrufen und um Rat fragen, wenns dicke käme?
10? Oder 8?
Wer wäre echter Freund / echte Freundin?
3? Oder nur 2?


Ich habe 383.
Manche davon aus Gründen der Diplomatie.
Manche davon aus Gründen der eigenen Neugier.
Auch welche aus Gründen des Stolzes, dass sie mich mögen? Sicher! Auch solche sind dabei.
Welche, die ich unkompliziert erreichen will. Auch diese sind mit dabei.
Menschen, die schräg sind.
Menschen, die lustig sind.
Auch lose Bekannte sind dabei.
Auch gute Bekannte.
Auch einige gute Freunde. Die 2 oder 3...

Aber alle haben sie eines gemeinsam:
Ich kenne sie von irgend woher.
Habe sie schon einmal in echt getroffen.
Oder wenigstens mit ihnen telefoniert und in anderen Medien korrespondiert.
Habe mit ihnen in der echten Welt zu tun gehabt. Irgendwo und irgendwie.


Die 383 sind eigentlich schon zu viele.
Ich will keiner dieser Seelensammler werden, die das nur zur Stärkung ihres Egos tun.
ich will keine 4stellige Zahl. Mit Menschen, deren Namen ich nicht mal kenne.
Mit Menschen, über die ich nichts weiß.
Ich werde diese Anfrage ablehnen.
Wie 9 von 10 seit gut einem halben Jahr.
Und das ist gut so.

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