Freitag, 28. Oktober 2011

Zorn

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zum Thema Finanzkrise zumindest mal zwei Wochen nichts mehr zu bloggen. Aber das ist heute auch nur teilweise das Thema.

Mein Bloggeintrag ist heute auch mehr eine Auswirkung dieses internationalen Kasperletheatercasinoevents, die in einem Wort zusammenfassbar ist:

Zorn!
Da ist von 24,3 Milliarden Euro Fehlbuchungen die Rede. Oder 55 Milliarden, die in 2 Jahren auflaufen.
Bin ich eine Spaßbremse, wenn ich mich über diese "Mehreinnahmen" nicht freuen kann?

Im Spiegel Online stehts. Ich mag dieses Magazin nicht. Schon lange nicht mehr. Mit diesen Redakteuren, die alles um soviel besser wissen, die weichgespült irgendwo im Watte-ausgepolsterten Nirwana zwischen Wirtschaftsflügel der Union und dem Seeheimer Kreis der SPD dahin irrlichtern und dabei ihre Meinung zur Überparteilichkeit hochstilisieren.
Doch hier gibt es keinen Spielraum bei der Berichterstattung dieses ungeheuerlichen Vorgangs. Hier kann man sogar diesem Blatt mal vertrauen, da es sich um Zahlen handelt, die so ungeheuerlich sind, dass mir fast der Mandelspekulatius in der Luftröhre stecken bleibt:

Zorn.
Eigentlich ist es ja eh schon wurscht. Was sind schon lächerliche 55 Millliarden zu Rettungsschirmen, die mehr als eine Billion umfassen? Oder waren es nur 24,3? Oder im einen Jahr 24,3 und im Jahr davor 31? Dann sinds ja doch 55? Wer weiß das schon? Peanuts...
 Wie blöde muss man eigentlich sein, sich um zweistellige Milliardenbeträge a) zu irren und b) diesen Irrtum in der Buchhaltung erst einmal nicht zu bemerken? So lange, bis es ein Fall für die Medien wird?
Diese Leute verdienen im Monat mehr als ich im Jahr. Für was? Fürs Nasenbohren? Langsam schaun? Ihren Schreibtischstuhl abzunutzen? Ins Smartphone daddelnd die neuesten N24-Börsenkurse als Einschlafhilfe down zu loaden?

Zorn.
Wie kaputt ist ein System, bei dem solch ein Fehler vermutlich nicht einmal mehr die sofortige Entlassung der für diesen "Fehler" verantwortlichen Bankmitarbeiter nach sich zieht? Für ein Tausendstel dieser Summen wurden im Mittelstand schon in Legionen von Fällen hunderte Leut auf einmal arbeitslos. Und das "klappte" ohne Buchhaltungsfehler.

Zorn.
Wie kaputt ist ein System, wo Du so etwas auf Facebook postest und vielleicht grad einer Deiner sogenannten 384 "Freunde" reagiert überhaupt noch drauf? Ist allen alles wurscht oder haben mittlerweile alle auf Verdrängung geschaltet?? Zumal von diesen 384 Leuten mehr als 330 irgendwo gesellschaftlich oder politisch aktiv/tätig oder zumindest interessiert sind. Sich selbst als kritisch oder links bezeichnen. Ja. lest das ruhig mal! Ihr seid gemeint!

Zorn
Mich interessiert es übrigens einen Scheißdreck wer Abends auf welchem Pupsjubiläum von was auch immer von euch rumhängt! Glaubt ihr, dass es Politik ist, wenn ihr euch so mit Terminen zuknallt, dass ihr von Einzelereignissen draußen nichts mehr mit bekommt? Nutzt es irgend jemand, oder sogar der Gesellschaft, wenn ihr für das vermeintliche eigene Vorankommen auf jeder Baustelle rumrennt und dabei doch nichts mehr wirklich mit Ausdauer bearbeitet? Oder mit wirklichem Interesse? Das ist der selbe Nachhaltigkeitsverlust, der dazu führt, dass man sich um Fantasiesummen irren kann. Überall nur noch schnell schnell schnell. Als ob es kein Übermorgen mehr gibt.

Zorn
Leute? Lebt ihr noch? Kriegt ihr noch etwas mit? Wer von euch ist schon scheintot? Wisst ihr eigentlich, was das bedeutet, wenn die sich bei einer verkackten Badbank bereits um solche Zahlen irren und gleichzeitig an europaweiten Wirtschaftsrettungskonstrukten gebastelt wird, die niemand bisher ausprobieren konnte? Zumindest ganz sicher nicht in ihrer Wirkung auf landesweite Volkswirtschaften oder gar auf Kontinente. Wisst ihr, was da gerade vor euren Augen an Irrsinn abgeht?

Ich hab Zorn! Verdammten Zorn!
Aber genug jetzt der Leserbeschimpfung. Wem meine Meinung nicht schmeckt, kann mich gern in Facebook entfreunden oder mich anderweitig am Hobel blasen! Wie heißt der Untertitel meiner Bloggseite doch gleich: In den Wind gesprochen?
Wird schon so sein...

Zorn...
Ja. Ich werde an der Occupy-Bewegung teilnehmen. Ich werde auch mit demonstrieren. Werde das machen, was ich einigermaßen kann: Ich werde schreiben! Anschreiben gegen Ignoranz, Besserwisserei, Arroganz, Kungelwirtschaft, Schlamperei, Pfusch, Klugscheißerei. Und vor allem gegen diese verdammte Naivität, die sich überall breit macht. Dieses kindliche "irgend jemand wird sich schon drum kümmern".

Zorn.
Nein verdammt! Es kümmert sich niemand drum! Nie! So funktioniert das halt eben nicht! Nirgends im Leben! Außer, dass sich so gekümmert wird, dass ihr danach "bekümmert" sein dürft. Weil es wieder mal nur grottenschlecht oder eigennützig gemacht wurde.
Macht selber was! Tut was! Bleibt dran! Nervt! Schaut zweimal nach!
Geht mit Gefühl an die Dinge ran!
Hinterfragt! Tut! Macht! Seid wer! Seid ihr selber!

Zorn.
Nicht nur bei mir. Ich spüre ihn vermehrt. Bei Menschen, die ich vollkommen anders kenne.
Die ich ruhig kenne, gelassen, über den Dingen stehend. Eigentlich, Bisher.
Es ist diese Faust in der Tasche, die sich ballt.
An sich friedliche Menschen.
Friedliche Menschen die spüren, dass es "das" nicht sein kann...


Zorn - Orkan - Katalyse - Veränderung.
Manchmal notwendig.
Wie ein Gewitter, welches die Luft reinigt.
Danach geht der Atem wieder freier.

Samstag, 22. Oktober 2011

Der Funktionär / die Funktionärin

Es wird ein Foto gemacht. Ein Foto von ganz vielen Fotos.
Er hat eigentlich keine Zeit, dieser Promi.
Er hat auch keine Lust, der Promi.
Er kennt diese Art von Fotos, der Promi.
Er lässt sich dann doch noch breit schlagen, weil es erwartet wird von ihm.

Weil er seine Funktionäre nicht enttäuschen mag.
Weil es einfach zum Geschäft gehört.

Das Foto wird gebraucht. Für das Ego des Bittenden. Des bittenden Funktionärs.
Für dessen Freunde vor Ort. Für die Erfüllung der Erwartung. Des Rituals.
Für die Freunde des Funktionärs vor Ort, der ihn gerade angesprochen hat, den Promi.

Auf Facebook, bei Twitter. Dort kann man das dann sehen. Den Beweis.
Zum Senden an die Presse für die Füllung des Sommerlochs der Lokalausgabe.
Für die Sozialkontakte. Um wichtig zu sein, Etwas Glanz für zu Hause.
Ein paar Strahlen der Sonne um Teil eines Großen zu sein.
Dieses Große über Fotopapier beweisen zu können.
Kaufhauslächeln. Zahnpastalächeln. Illusionen viele Male.
Eigenwahrnehmung? Fremdwahrnehmung?
Verdrossenheit? Ursachen? Wirkungen?


Jeder Termin ist wichtig. Jeder Termin ist Chance.
Jede öffentliche Tagung ist Bühne. Bühne der eigenen Darstellung.
Sitzt das Sakko richtig? Das Kostüm?
Nehmen mich die Oberen auch genügend wahr?
Sind auch die richtigen Leute da?
Sozialkontakte - Bewertung nach Nützlichkeit...
Analyse der Situation - Kosten zu Nutzen...
Planung der Zukunft.
Planung der Freundschaften.
Planung der Freizeit.
Planung der Wortwahl.
Planung der eigenen Meinung.
Planung der Anpassung.

Was darf man sagen, welche Meinung eckt nicht zu sehr an?
Ist sie auch wirklich die Mehrheitsmeinung?
Passt sie zum eigenen Kostüm?
Oder zum eigenen Sakko?
Wird sie richtig wahrgenommen?
Ist sie nützlich? Schadet sie?


Und diese anderen?
Dort stehen sie. Da hinten sitzen sie.
Warum sind sie jedes mal hier?
Sie sind lästig. sie wollen einfach nur diskutieren.
Sie sind anders.
Sie haben eine andere Meinung.
Sie haben eine Meinung?!
Sie sind unbequem.
Sie wollen keine Fotos mit dem Promi.
Sie stehen im Weg. Sie verlängern unnötig die Veranstaltung.

Sie verstehen nicht, dass Geschlossenheit so wichtig ist.
Sie verstehen nicht, dass Fotos so wichtig sind.
Sie verstehen nicht, dass Kostüme so wichtig sind und zur Krawatte passende Sakkos.

Sie möchten Positionen bestimmen, nicht nur Reden beklatschen.
Sie möchten vorher lesen, was sie unterschreiben / abnicken / gut  finden sollen.
Sie haben ein Gedächtnis und erinnern an unbequeme Traditionen.
Sie haben ein Gedächtnis und erinnern an unbequeme Beschlüsse.

Sie sind nicht nützlich, sie sind oft sperrig.

Wollen keine Funktionen, wollen lieber Fragen stellen.
Wollen Antworten erhalten.

Sind verplant, sind unkalkulierbar..
Haben eine eigene Meinung.

Sind so unglaublich lästig für den Ablauf des Geschehens.
Haben ein Leben.

Sind lästig für den Staat, die Gesellschaft, den Funktionär.
Haben Fotos mit Freunden zusammen. Haben Freunde, die Lust haben, mit ihnen zusammen auf diesen Fotos zu sein...

Dienstag, 18. Oktober 2011

Der tödliche Geldmarktvirus

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine einzelne Finanzratingagentur kann einen Staat erpressen. Kann jeden Staat erpressen. Einfach so. Das hat weder ein Fugger, noch ein Medici in diesem Ausmaß geschafft. Kein Krupp, kein Bohlen und Halbach. Kein De Beers, auch kein Bill Gates hatte diesen Einfluss.

Warum sehen so viele intelligente Menschen zu? Menschen, die VWL oder BWL studiert haben. Sie gucken wie die Maus auf die Schlange. Mit großen Augen. Vielleicht ahnen sie etwas. Aber sie verdrängen es, sehen nicht, was vor ihren Augen für eine unglaubliche Farce passiert.
Was ist das für ein System, gegen das jedes Hütchenspiel in einem Bahnhofsviertel seriös wirkt?

Wie funktioniert dieses Spiel? Ein Erklärungsversuch in Kurzform:

Eine Ratingagentur (wir nennen sie mal Moodys) zwingt eine Regierung in medienwirksamen Aktionen, eine neoliberaler Kaputtsparpolitik auf Kosten der Ärmsten durchzuführen, in dem sie ihr androht, die Kreditwürdigkeit ihrer Staatsanleihen, über die sie den Staat refinanziert, herab zu setzen. Sie hält ihr aber als scheinbar letzte Chance ein vermeintliches Rettungsseil vor die Nase mit folgendem Satz: "Davon könne gegebenenfalls dann abgesehen werden, wenn die Regierung an den richtigen Stellen zu sparen beginne."

Die richtigen Stellen in den Augen dieser Finanzknallköpfe sind natürlich immer die Infrastruktur, das Sozialsystem, die Kultur und die Bildung. Alles das, was ein Gemeinwesen ausmacht. Hier ist das Kaputt machen am einfachsten. Bei den Großkopferten wäre es schwieriger, an ihre Asche zu kommen. Vermögen sind schließlich mittlerweile international.

Der ursprüngliche Grund für das Vorgehen der Agentur ist eigentlich banal. Es wurden in den letzten Jahren von den westlichen Industrienationen horrende Bürgschaften aufgenommen, die allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung - nicht ganz zu unrecht - nicht weit weg von echten Schulden sind. Dies geschah 2008 und 2009 um Banken zu retten, deren Zusammenbruch gefährlich für die umgebende Volkswirtschaft schien.

Es handelt sich auch um solche Banken, die mittlerweile selbst komischerweise schon wieder mit TOP-Werten von diesen Ratingagenturen ausgestattet sind. Aber dort in den Chefetagen erinnert man sich schon nicht mehr dran. Die Vergesslichkeit in dieser Branche ist schon fast Alzheimeresk. 

Dann hat so ein Staat, nennen wir ihn jetzt der Einfachheit halber mal Frankreich, genauso wie viele andere auch, in 2010 / 2011 zusätzliche Bürgschaften aufgenommen, um ein anderes Land zu retten. Nennen wir es der Einfachheit halber Griechenland. Dies hat er getan, nicht weil er so nett war, sondern um sich selbst zu schützen. Seine eigenen Bürger zu schützen vor den Folgen, die durch die Pleite Griechenlands auch das eigene Land treffen könnten. Man ist ja eng aneinender gebunden in diesem Europa. Mehr, als man es jahrelang wahrhaben wollt...

Eine gemeinsame Währung bedeutet 'mitgehangen, mitgefangen'. Diese De-Facto Pleite Griechenlands, die erst dann so richtig in Schwung kam, als die selben Ratingagenturen  wöchentlich ihren Senf dazu abgaben, wie schlecht es um den Mittelmeeranrainer doch bestellt sei, sie hat auch die anderen Volkswirtschaften nicht unbeteiligt gelassen.


Aber nun zurück zu dem Mitglied des Rettungsschirmes, nennen wir diesen einfach mal  'Bürgschaftshütchenspiel mit reeller Inflationschance': Die Wirtschaftsdaten werden nun natürlich auch bei den Bürgen-Ländern (hier als erstes Opfer eben Frankreich) schlechter. Die Leute bekommen es langsam richtig mit der Angst, werden also nichts mehr investieren, selbst wenn sie noch Erspartes haben. Jeden Tag werden sie zudem in den Abendnachrichten mit diesen Problemen berieselt, ohne dass sie verstehen, was da gerade passiert.

Dieser Konsumausfall und der damit verbundene Einnahmeausfall an Steuereinnahmen zieht wiederum in immer schnellerer Folge erneut noch schlechtere Ratings nach sich , was in der Folge zu noch mehr 'kaputt sparen' und gleichzeitig zu weiteren sinnlosen und ruinösen zig-Milliarden teuren Rettungsbürgschaften der mit im Boot sitzenden Nachbarländer führen könnte. Was wiederum über kurz oder lang in die Staatspleite des genannten Geberlandes und zu ebenfalls schlechteren Ratings der Geber-Nachbarländer führen dürfte. Schön in der Reihenfolge, wie gesund sie vorher waren. Trotzdem wie beim Domino. Schön einer nach dem anderen,

Aber nicht wenige Bürger und auch manche Abgeordnete haben manchmal doch noch ein gesundes Bauchgefühl. 'Hier stimmt etwas nicht. Hier stinkt etwas ganz massiv.' Es kann also passieren, dass es nicht zum äußersten Szenario, der unmittelbaren Staatspleite in den Rettungsschirmaufspannländern kommt, weil dort der Bevölkerung schlicht nicht mehr vermittelbar ist, weitere Sicherheiten mit imaginärem Buchgeld zu geben. 

Da dies langfristig aber trotzdem keine Lösung des Problems herbei führt, und die Krise auf mittlerer Flamme weiter vor sich hin schmort, wird spätestens jetzt zu Buchhaltungstricks gegriffen. Einer dieser Tricks wird es sein, die Zentralbank der EU dazu zu nötigen, in Masse diese nicht mehr an die Bevölkerung zu bringenden Kaputtgerateten Staatspapiere aufzukaufen, was wiederum in großen Mengen frisches Geld auf den Markt werfen soll. Begonnen wurde damit ja bereits.

Die erhoffte positive Wirkung verpufft allerdings, da die Volkswirtschaften in Rekordtempo weiter schrumpfen, die Kreditvergabe der Banken wie in der Bankenkrise durchsackt und keiner von diesem Geld etwas hat. Keiner traut keinem mehr. Jeder bunkert seine Werte (so noch etwas da ist) möglichst sicher.

Und die Zentralbank steht danach selber da wie eines der Bad-Bank-Institute, die 2009 die Risiken der Bankenrettung auslagern sollten. Als Atomares Endlager finanzieller Verbindlichkeiten, das bei der kleinsten Erschütterung zur Kernschmelze bereit ist.

Doch das Spiel geht weiter. Immer weiter. Niemand gebietet Einhalt. Augen zu und durch. Ein paar Versprengte sitzen vor Banken. Oder sie zünden Autos von Unschuldigen an, denen es genauso dreckig geht, wie ihnen selber. Es geht so lange weiter, bis es irgendwann heißt: Rien ne va plus.“ Und der große Kartengeber am weltweiten Spieltisch den letzten Einsatz fordert...