Donnerstag, 24. Oktober 2013

Puppenspieler - ein politischer Offenbarungseid

In welchem falschen Film leben wir eigentlich? Ein anderes Land überwacht offensichtlich alles und jeden auf dem Staatsgebiet unseres eigenen Landes. Und nicht nur dort. In ganz Europa, bei der Uno. In der halben Welt. Nur dort nicht, wo der eigene totalitäre Staat diktatorisch genug ist, das Überwachungsmonopol selbst ausreichend konsequent umzusetzen. Vor 20 Jahren wäre das nur ein Thema für einen schrägen Thriller gewesen. Mit unterirdischen Filkritiken, da der Realismus bei einem solchen Szenario fehlt. Heute ist es genau so in unserem realen Leben.

Und niemanden juckts. Als dann raus kommt, dass die Regierungschefin ebenfalls abgehört wird, gibt es endlich ein klein wenig Empörung, aber mehr auch nicht. Jetzt ist die Dame ja selbst mal betroffen. Uuupsi! Ein Bekannter von mir fühlte sich gestern gar an den Film "Die Truman Show" erinnert, so absurd ist das, was hier gerade abläuft. Seiner Einschätzung kann ich nur zustimmen. Es wird jede mögliche Art von inländischem Recht gebrochen. Vermutlich Millionen unschuldiger Menschen werden überwacht. Das interessiert aber monatelang nach Bekanntwerden kein Gericht, und keinen einzigen Staatsanwalt.

Erst als die Überwachung der Kanzlerin bekannt wird, ermittelt die Bundesanwaltschaft. Was wirst du denn dagegen tun, liebe Bundesanwaltschaft? Etwa Präsident Obama vorladen? Sicher! Gaaaaanz sicher!... der lacht euch doch aus. Zigfacher Rechtsbruch und keiner kann sich wehren. Hilflos dürfen wir zusehen, wie Institutionen über uns entscheiden, auf die wir keinerlei demokratischen Einfluss haben. Unser Innerstes wird nach außen gekehrt. Lange zurückliegende Lebensereignisse oder kritische Äußerungen können jederzeit Erpressungspotential sein für künftige Bewerbungen um Staatsämter, Jobs oder selbst Ehrenämter. George Orwells Vision ist verdammt nah. Näher als ihr alle glaubt!

Dies ist der Moment, der selbst gut gebildete und finanziell gut gestellte Menschen in eine politische Passivität und Nichtwählerschaft treiben kann und wird. Ohnmacht und das sichere Wissen, dass andere entscheiden, egal was man macht. Demokratische Institutionen werden vorgeführt durch einen ungeheuerlichen internationalen Skandal, der für die Täter keinerlei Konsequenzen haben wird. Verstärkt wird diese Wehrlosigkeit durch eine vollständig passive Bevölkerungsmehrheit, die sich von jedem populistischen konservativen Blödsinn komplett einlullen lässt.

Wer bringt solche Rechtsbrecher denn vor Gericht? Welches Land wird Handelsbeziehungen oder diplomatische Beziehungen einschränken? Welche UNO-Sanktionen sind geplant? Wer setzt sie durch? Wenn wir alle diese Fragen mit "das ist doch unrealistisch" beantworten müssen, sollten wir uns aber fragen, was das wiederum in der Konsequenz bedeutet! Es bedeutet: WIR sind momentan absolut wehrlos! Politischer Offenbarungseid ist wohl das richtige Wort dafür.

Einige wenige werden partielle Teile ihrer Privatsphäre ein wenig schützen können. Auf begrenzte Zeit. Weil sie technisch schlauer sind als andere. Oder weil sie sich technischen Entwicklungen verweigern und damit auch zugleich auf einen Teil Wohlstand und Bequemlichkeit verzichten. Verzicht oder technischer Nerdismus als Überlebensstrategie? Weil der eigene Staat zu doof ist, seine Bürger vor sich selber und erst recht vor anderen zu schützen? Weil der eigentliche Terror die geschürte Terrorangst durch gewissenlose und selbstgefällige Innenpolitiker und Überwacher ist? Weil 80 Prozent unserer grenzdebilen Mitbürger die Zusämmenhänge weniger begreifen, wie jeder einfache Testschimpanse der Pharmaindustrie?! Ja in welchem Albtraum sind wir denn hier eigentlich gelandet?

Whistleblower, die sich gegen eine solche Gesellschaft wehren und so etwas offen legen, werden heimatlos. Kein ach so demokratischer Staat hatte die Eier, einem Snowden Asyl zu gewähren.
Er ist der Gnade eines anderen totalitären Systems ausgeliefert, dessen erster Vertreter aus einer Laune heraus, weil der die andere Großmacht ärgern mag, diesen Menschen eine Zeit lang Asyl gewährt. Dessen einzige echte Kritik an dieser Art der Überwachung sein dürfte "ihr wart nicht professionell genug, bei mir wäre ein Snowden nicht passiert" ...Marionetten...

Erst der gläserne Kunde, jetzt bald der gläserne Bürger. Der Mensch als Wertschöpfungsmasse. Als Jubelperser einer Pseudodemokratie. Nur noch dazu da, bestehende Verhältnisse abzunicken.

Wer sich wehrt, bei dem findet sich schon etwas, um ihn oder sie in der Presse mundtot zu machen. Mit 15 mal in der Schule geprügelt? Als Studentin mal die falsche politische Veranstaltung besucht? Mal eine Zeit lang Schulden nicht bedienen können? Sexuelle Praktiken, die die Gesellschaft nicht mag oder goutiert? Fast jeder wird erpressbar in einer gläsernen Welt. Außer er/sie lebt sehr brav und angepasst. Dies ist die Zeit der Angepassten. Der Duckmäuser und Duckmäuserinnen.
  • Wer erpressbar ist, ändert nichts am System. Er hinterfragt nicht, weil er überleben will. Er wird im letzten Moment den Schwanz einkneifen.
  • Wer angepasst ist ändert ebenfalls nichts am System. Er hinterfragt nicht, weil er Kariere und persönlichen Wohlstand anstrebt.
Keine Veränderung mehr zum Besseren aus Angst vor Repressalien oder aus Realismus, dass es die systemische Gummizelle absorbieren und verhinderen wird. Die gesamte menschliche Evolution bisher lebte von der Veränderung. Und nun? Stillstand und die vollständige Herrschaft der kalten Logik des Kapitals.

Das wäre der Preis der Welt mit einer vollständigen Antiterrorüberwachung.
Das ist der Preis! Wollen wir diese Welt? Wir sind gerade eben dabei, sie zu bekommen!...

Freitag, 9. August 2013

Ansichten und Einsichten in die schwäbische Seele

So in einem guten vietnamesischen Restaurant irgendwo in Bayerisch - Schwaben belauscht: Zwei ältere Damen unterhalten sich. Nennen wir sie der Einfachheit halber mal Frau Maier und Frau Müller.

Frau Maier: Also mir war das ja das letschte mal viel zu viel. Des konnt i ja gar net alles essen! Ich war ja scho mol hier. Guat kochens ja schon. Aber alles vertragen tu ich auch nicht mehr, wissens.

Frau Müller: Die Nummer 121 könnens schon nehmen! Des isch ja eher leicht.

Frau Maier: Aber des muas i dera dann scho nomal saga, dass die Portion net zu groß isch.

Frau Müller: Also ich bestelle ja immer die 109, die mit Garnelen.

Frau Maier: Des könnt ich net essen. Ich vertrag keinen Fisch. (Zur Bedienung) Sie, isch die 121 auch net zu üppig? Weil seit etwa 10 Jahren vertrag i koine so große Portionen mehr!

Die Lokalinhaberin (die als Bedienung angesprochen wurde): Wir bringen ihnen die Portion auch gerne etwas klener, wenn sie möchten.

Frau Maier: Des isch guat. Aber bitte koin Seniorateller. Dann fühl i mi so alt. Und no was! Kann i au die Erdnusssoße von der 120 zur 121 haben?

Inhaberin: Selbstverständlich

Frau Müller: Ich hätte gern die 109. Aber bitte extra scharf. Das letschte mal war die 109 gar net so scharf.

Inhaberin: Wir bieten die Gerichte standardmässig so an, dass alle sie essen können. Aber auf Wunsch machen wir sie auch schärfer.

Frau Müller: Also bei mir diesmal sehr scharf bitte. Und die Garnelen bitte sehr knuschbrig!

Frau Maier: Und bei mir bitte nicht zu viel und denkens an die Erdnusssauce.

Inhaberin (lächelt freundlich): Gerne.

Zwischenzeitlich wurde ich dann etwas von dieser Scene durch ein sehr ungleiches Paar abgelenkt, das sich am anderen Nebentisch über die Vorzüge und Nachteile des Vorschlages der Grünen ausließ, einen fleischlosen Tag pro Woche in Kantinen einzuführen. 

Er: Also des isch doch eine Unverschämtheit, was dia sie raus nemmen. I lass mir doch von dene net vorschreiba, was i zum essa hab!
Sie: Aber das ist doch nur ein Vorschlag. Kein Muss. Ein Vorschlag, den ich übrigens sehr gut finde. Ab und zu kein Fleisch ist doch gesund!
Er: Dia spinnen doch! Greane halt!

Nachdem das Pärchen in dieser Frage keine Einigung herstellen konnte, widmete es sich schließlich ausführlich den Problemen, wie sie auf die Hochzeit ihrer besten Freunde eine Woche später gelangen könnten. 
Man einigte sich schließlich auf getrennte Autos. Getrennte Lebenswelten schienen bereits vorher vorhanden zu sein.


Den beiden älteren Damen wurde mittlerweile das bestellte Essen geliefert.

Frau Maier: Wie schmeckt den ihres? Meins isch fascht wieder zuviel.
Frau Müller: Das mögen sie nicht, das ist ihnen bestimmt zu scharf.
Frau Maier (fast ein wenig beleidigt): I wollt doch gar net probieren. I vertrag doch gar koin Fisch.
Frau Müller: Das sind Garnelen.

Es folgt gefrässiges Schweigen aus der Ecke der beiden Damen.


An einem dritten Nebentisch erklärte zwischenzeitlich der gefühlte Familienvorstand (männlich) seinem pubertierenden Sohn, was der Unterschied zwischen wichtig und pseudowichtig sei. Pseudowichtig sei das, was eben nicht wichtig wäre. Deshalb sage er ja pseudowichtig dazu. Er verstehe nicht, wie man das nicht verstehen könne. Das erkenne man ja schon am Wort, das er gerade benutze. Sonst würde er ja das WOrt wichtig benutzen. Aber er bentze eben pseudowichtig.
Seine Ehehälfte und die ebenfalls am Tisch sitzende Tochter gaben sich derweil peinlichem Schweigen hin mit einem Schuss "wir sind nur zufällig an diesem Tisch".

Schließlich hatten aber alle diese Prachtexemplare schwäbischer Provenienz ihre bestellten Gerichte auf dem Tisch stehen (auch wir) und es entstand gefräßiges Schweigen. 

Fazit:
Der Schwabe philosophiert gerne - aber nur, wenn er Hunger hat.

Und falls sie mich fragen, über was ich mit meiner Frau an dem Abend philosophiert habe? - 

Markus G.:
"Des geht doch sie fei nix an! Bedienung! Noch was von der guaden Soß bitte! Die isch echt leckrrr!"

Samstag, 27. Juli 2013

Mehltau über dem Land

Wenn die Demokratie kaputt geht - 
und keiner etwas dagegen tut


Es ist Wahlkampf - eigentlich eine Zeit, wo man sich denkt, dass es möglich sein müsste, die Leute besonders zu politisieren. Doch aktuell - in 2013 - scheint das nicht zu funktionieren. Liegt es an der Hitze? 

Ungeheuerlichkeiten sind passiert. Und nur wenige regen sich auf. Ein wenig Aufregung im Internet. Wenn überhaupt. Selbst Brüderle erregt mehr Aufschrei. Man bekommt bereits ein schlechtes Gewissen, seine Freunde mit Hinweisen auf den ganzen Mist, der gerade passiert, zu belästigen. 

Also lest diesen Blog oder lasst es halt sein und verpisst euch wieder! Haut ab in eure Rosa-Pony-Welt! Ist mir doch egal. Vielen von euch scheint es ja auch egal zu sein, was gerade passiert.

- NSA Ja. Es nervt. Ich kann es nicht ändern. Aber hallo??? Die gesamte Bevölkerung wird von einem fremden Nachrichtendienst abgehört! Mitbekommen? Und der, der es öffentlich macht, der Herr Snowden, darf um sein Leben fürchten und bekommt auch in unserem demokratischen Europa weder Zeugenschutz noch eine Anerkennung durch irgendeine dieser 28 Regierungen. 

Ausgerechnet ein Land mit einer Regierung, die nicht für lupenreine demokratische Richtungsentscheidungen bekannt ist, kann sich als Hüter der Freiheit darstellen. Ironie sieht anders aus. Das ist nur noch traurig.

Der eigene Inlandsgeheimdienst schweigt. Was soll er auch sonst tun? Jedes falsche Wort zuviel müsste vermutlich die Justiz wegen massivster Gesetzesverstöße auf den Plan rufen. Ja die Justiz. Die ist so ein Thema für sich... die Bundesregierung schweigt noch ausgiebiger. Warum soll man auch etwas aufklären, was die parlamentarisch nicht durchsetzbare Vorratsdatenspeicherung mehr als gut ersetzt?
Gläserner Bürger, schlecht regiert und angeschmiert. Desinteressiert und dumpf.

- Gustl Mollath - ein Mann wird in einem sehr seltsamen Gerichtsverfahren verurteilt und in die Psychiatrie weggesperrt. Trotz erdrückender Beweise für seine Unschuld oder zumindest verminderte Schuld wird die Wiederaufnahme des Verfahrens von der zuständigen Justiz blockiert. Verfahrensfehler werden banalysiert oder ignoriert. Ein Mensch, der 7 Jahre in einem demokratischen Land weggesperrt wird. Den vermutlich internationale Institutionen wie das EuGH befreien müssen, damit er überhaupt jemals wieder frei kommt.
7 Jahre - ein Leben zerstört. Für Rechthaberei und Aktenfilz der Justiz? Wie reagiert die Öffentlichkeit. nach einem kurzen Empören dann wieder: Desinteressiert und dumpf.

- NSU Eine Farce von Aufklärungsarbeit. V-Leute, die rechte Mörder mindestens gewähren lassen. Wenn  sie sie nicht unterstützt haben. Gleichzeitig werden demokratische Gegendemonstranten wie ein Jugendpfarrer aus Dresden mit haltlosen Verfahren und vermeintlichen "Beweisen" vor Gericht gezerrt. Von einer Justiz, die es nicht schafft, Presse und Medien aus den Hersprungsländern der Opfer eine Teilnahme an einem der wichtigsten Verfahren der Rechtsgeschichte dieses Landes zu ermöglichen. Erst das Bundesverfassungsgericht muss die Bräsigkeit und Bierdimpfelei beenden. 
Polizei, Justiz und Verfassungsschutz. Blind auf dem Rechten Auge? Öffentlichkeit?? Desinteressiert und dumpf.

- Aufklärung von Betrug durch Finanzprodukte im Nachgang der Finanzkrise? Fehlanzeige!
Es wurden arglosen Rentnern und Kleinanlegern Schiffsinvestments verkauft. Und Immobilieninvestments. Und sonstwelche Investments Über Jahre. In Branchen und Bereichen, in denen damals bereits all diesen "seriösen" Banken Überkapazitäten bekannt waren. Nun werden Schiffe verschrottet, Firmen gehen pleite. Die finanzierenden Banken? Fein raus. Sie sind die Gläubiger in der ersten Reihe. Die Co-finanzierenden Kleinanleger sind die Dummen. So wie meistens.
Und was macht die Justiz? Auf Kleingedrucktes in Verträgen verweisen? Offensichtlichen Investitionsbetrug und Bonijägerei nicht verstehen und nicht bestrafen.
Die Nicht betroffenen? Desinteressiert und dumpf...

- Banken werden gerettet für viele Milliarden. Über Jahre gehen die Gesundheitswesen ganzer Länder - ach was, die gesamten Länder gehen kaputt. Für Bruchteile der Summen dieser Kapitalanleger. Und was macht die Öffentlichkeit? Schimpfen auf die da unten am Mittelmeer. Die seien faul. Missgunst wurde auf Menschen gelenkt. Weg von Verantwortlichkeiten. Auf die, die nichts dafür können, dass sie von einer internationalen Elite ausgesaugt werden. Nicht erkennend, dass wir in 4 oder 5 Jahren auch dran sein werden, wenn wir jetzt nichts dagegen tun.
Wieder mal - hier sogar noch bestenfalls: Desinteressiert und dumpf...

Ich hätte noch 100te Beispiele.  
An was liegt das? Warum sind die Leute so scheiss passiv? Warum wird alles in einen Topf geworfen? Wieso interessiert das keinen? Warum empört sich niemand? Nachhaltig? Selbst die Brandartikel namhafter Zeitungen bewirken nichts. Im Gegenteil. Die Regierenden werden noch durch Umfragehochs belohnt. 

Nur eines steigt: Die Zahl der Nichtwähler. Die Zahl der Menschen die es einfach nur noch ankotzt. Menschen, die der Autor dieses Bloggs in einem einzigen Punkt verstehen kann: In dem Punkt der Ohnmacht. Der vermeintlichen und teilweise auch echten Hilflosigkeit. Was ist das für eine Krankheit?
Eine Krankheit, die wie Mehltau über dem Land liegt. Wie ein Gespinst aus Watte, welches einem die Luft nimmt. Die Luft, an eine stabile, demokratische Zukunft zu glauben.
Woran liegt das? An der Mentalität der Deutschen? Braucht es immer erst einen rechten Schwätzer und einen Fackelzug, damit Dumpfgermanen auf die Straße gehen? Sind uns unsere Grundrechte, unsere Freiheit und unser Sozialstaat wirklich so wenig wert? Woran liegt das?

Eine Ursache davon ist sicherlich hausgemacht. Eine? mehrere! Aber eine davon ist bei uns systemimanent geworden in den letzten Jahren:

Fehlende Bildung
Ich fang jetzt nicht mit Pisa an. Keine Sorge! 
Ich fang damit an, dass Wertigkeiten sich verschoben haben. Es ist ein leises Gift in diese Gesellschaft gesickert. Und weil es - noch - bisher vielen gut ging, hat dieses Gift bei uns mehr gewirkt, als in anderen Gesellschaften in den 80er und 90er Jahren.
Warum sollen junge Menschen auch Geschichte lernen? Warum Politik? Warum Sozialkunde? Realschüler oder Hauptschüler auch noch? Schon gar nicht. Die sollen etwas lernen, das man auch verwerten kann. Dass die Gesellschaft sie verwerten kann...

Lehrer, die Probleme haben, überhaupt bis zum dritten Reich im Unterricht zu kommen. Von der Nachkriegszeit gar nicht zu reden...? Überbewertet. Es gibt doch Guido Knopp. 
Rückgrat? Überbewertet! Politische Partizipation? Überbewertet! Kultur? Überbewertet! 
Das schnelle Geld. Die gute Marke. Geiz ist geil! Wir brauchen Ingenieure! Keine Philosophen. BWL ist das neue Twix, sonst ändert sich nix. Bis 2008 unangefochten. Nicht diskutierbare Dogmen der neuen Religion des Mammon.

Und jetzt?

Wir haben die Menschen bekommen, die wir haben wollten.
Jetzt lese ich die Feulletons. Da wird wieder über die Schlechtigkeit der Jugend gelästert. Über ihre Probleme. Ursachenforschung? Auch noch tiefer gehend? Fehlanzeige.

Junge Menschen, die weder ihre Wurzeln kennen noch in irgendeiner Weise Benehmen oder zwischenmenschliche Interaktion erlernt haben. Sie haben nur gelernt, zu funktionieren und den Gewinn ihrer Arbeitgeber zu maximieren. Wer da nicht hinein passt, wird an den Rand gedrängt. Und es sind immer mehr, die an den Rand gedrängt werden. Es gibt immer einen im weltweiten Kapitalismus, der billiger, schneller, effektiver ausbeutet.

Der Vorteil eines solchen Systems für die herrschenden Eliten: Dieser neue "Angestellten-Nachwuchs" hat weder gelernt, sich mit anderen zu solidarisieren, noch ist er an einer demokratischer Teilhabe interessiert. An einer Teilhabe, die ihm nichts bringt. Die ihm/ihr auch noch aufzeigt, wie wenig er/sie eigentlich gebraucht wird.
Das steht dann nur in den wenigsten dieser Zeitgeist-Artikel.

Damit ist das Gemeinwesen kurzfristig leichter lenkbar. Lobbyisten bekommen ihre Interessen leichter durchgesetzt und treffen auf weniger Widerstand. Eine neue Form von Kapitalismus mit faschistischen Zügen.
Das Äußere zählt. Für Schönheit und sportliche Erfolge werden Unsummen bezahlt. Ebenso für Spekulationserfolge. Wer hat, dem wird gegeben. Für ehrliche Arbeit gibts bestenfalls die Reste.
Auch das steht in den wenigsten dieser Artikel.

Nur was passiert langfristig?

Menschen
die sich in die Privatheit zurück ziehen. Die noch sicher sind in ihrer humanistischen Bildung. Noch kommt das C4-Gehalt monatlich. Die das Glück haben, dass ihre Kinder noch auf eine der besseren Schulen (ja auch staatliche sind noch drunter) sind. Menschen, die nicht glauben können, was da gerade passiert. Justiz, die kein Recht mehr spricht? Regierungen, die nach der Devise aggieren, wer sich als erster bewegt, hat verloren?! Diese Menschen, die einfach weg schauen. Die weiter in ihrer Welt leben und hoffen, dass für sie möglichst alles noch lange so bleibt. Kultur? Infrastruktur? Wird schon wieder werden. Irgend jemand wird sich schon darum kümmern. Irgend jemand irgendwann irgendwie...

Andere Menschen
die sich in die Privatheit zurück ziehen. Weil sie Rückzugskämpfe führen, um sich ihren Wohlstand zu bewahren. Die immer noch hoffen aufzusteigen zum kapitalistischen Vorbild in den Medien. Die ihren Kindern Egoismus predigen, weil ihnen gelehrt wurde, dass es das einzige ist, um in dieser Welt zu etwas zu kommen. Warum sollen sie wählen? Und wenn sie doch wählen, warum sollen sie dann Parteien wählen, die ihnen sagen, dass wir Zusammenhalt brauchen? Sie hoffen ja immer noch, dass das System nach oben lässt. Zu den Gewinnern. Falsche Hoffnung. Trügerisch. Manie vor der Depression...

Oder die nochmals anderen Menschen
die resigniert haben, weil sie bereits in jungen Jahren davon ausgehen können, nie an diesem Wohlstand teil zu haben, der sie noch immer umgibt. Auch viele von ihnen werden nicht wählen gehen. Geschweige denn, sich sonst am System zu beteiligen. Den einen fehlt die Kraft. 2 Billig-Jobs, Familie, Belastungen... den anderen fehlt die Hoffnung... Hoffnung wieder zu erwecken ist eine schwierige Sache.

Hoffnung erwecken? Auf Gerechtigkeit? Auf Kultur? Auf Zeit für Leben? Auf Privatheit ohne schlechtem Gewissen? Auf Chancen für alle?

Hoffnung erwecken? Schwierig.
Besonders bei Mehltau überm Land...

Mittwoch, 13. März 2013

Eine kleine Buchkritik

Als in den Provinzen des Imperiums die Saat der Freiheit aufging

Himmel  Erde  Schnee

Teil II


Ich habe ja auch schon öfter mit dem zweiten Band eine Buchlektüre begonnen. Oft hatte ich es aber auch irgendwann bereut. Es sind Ereignisse, Bilder, Zusammenhänge, die sich auf Teil 1 beziehen, die nicht sofort verständlich sind. Das kann durchaus anstrengend werden.

Dieses mal ist es allerdings erfreulicherweise anders. Sehr schnell konnte ich mich bei dem zweiten Teil von Himmel Erde Schnee in der Handlung zurecht finden. Der Autorin Ira Ebner ist mit dieser Fortsetzung ihres Debütromans ein mitreißend erzähltes Werk zu einem Stück europäischer Zeitgeschichte gelungen. Ein weiterer Bildausschnitt des Baltikums, genauer, dieses Mal die Darstellung Estlands im Zeitabschnitt der 80er und frühen 90er Jahre. Ein Thema, welches sonst in der bundesdeutschen Literatur bisher meist eher nur am Rande oder sehr oberflächlich gestreift wurde. Also gilt: Obwohl es ein 2. Teil ist, dieses Buch kann man auch sehr gut einzeln lesen.

Zur Handlung:
Estland zu Beginn der 80er Jahre. Lagle, die Hauptperson des Romans erlebt die Spätzeit der Sowjetunion aus der Blickrichtung einer Baltin. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Vergangenheit als Mitglied der regionalen Oberschicht des sowjetischen Systems und ihren Erfahrungen mit Unfreiheit und Dahinwurschteln.

Als sich Lagle als alleinerziehende Mutter und Witwe mit dem Wissenschaftler Enno Treimann ein zweites Mal fest bindet, findet sie in ihm einen Partner, der ihren Widerstandsgeist weckt. Jemanden, der sie zunehmend am System zweifeln lässt. Sie hinterfragt immer mehr die eingefahrenen Strukturen. Nachdem mit Michail Gorbatschow endlich ein erster Lufthauch von Freiheit und Veränderung das Baltikum erfasst, gerät sie mit ihrer gesamten Familie in den Strudel der Ereignisse, die zum Niedergang der Sowjetunion und der Freiheit der baltischen Staaten beitragen.

Eingebunden in ihre Familie erlebt die Hauptperson Lagle alles, was zu einem Teilstaat des Sowjetreiches jener Zeit gehört: Anpassung, passiven und aktiven Widerstand, Mitläufertum, Mut und Feigheit. Freunde und Kollegen, die das bisherige System bewahren wollen genauso, wie Menschen, die sich nach den Möglichkeiten der Veränderung sehnen. Eine Kollegin, die ihr als Parteisekretärin einerseits menschlich so manches mal den Rücken frei hält. Die aber andererseits ganz schnell ihre dunklen Seiten spüren lässt, als es dann um etwas wirklich Wichtiges geht. Eine Cousine Sigurd, die als erfolgreiche Geschäftsfrau aus Finnland zurück kommt. Die ihre Heimat dabei unter nun vollkommen anderen Gesichtspunkten sieht. Die diese Heimat ausbeuten will. Das sind nur zwei von vielen Menschen, die in anderer Form immer wieder in jedem Leben in der realen Welt zu allen Zeiten zu finden sein könnten.

Der Autorin Ira Ebner gelingt es, in ihrem zweiten Roman ein farbenprächtiges und vielschichtiges Panorama an Zeitgeschichte zu entfalten. Das Buch schafft es hervorragend, Emotionen und Gefühl mit einem Fundus an Details und Faktenwissen zu verbinden. Der Roman zeigt Menschen, so vielfältig, wie sie nur das echte Leben produziert. Man taucht ein in eine Welt, die es so vor wenigen jahrzehnten noch innerhalb der Grenzen der heutigen EU gegeben hat. Eine Welt, die uns mittlerweile schon so fern zu sein scheint, als wären es Jahrhunderte, die dazwischen liegen.

Ein kurzer Augenblick Geschichte über einen Teil Europas, der auch jetzt immer noch gerne mal vergessen wird von den großen Strömen der Medienberichterstattung. Eine Region, die nichtsdestotrotz im 20. Jahrhundert vieles erleben musste, was sie sich und ihren Menschen bestimmt gerne erspart hätte. Aber vielleicht haben sich die baltischen Staaten ja gerade durch ihre oft harte und wechselvolle Geschichte diesen herben Reiz bewahrt.

Ein Buch, das auf weiteren Lesestoff durch die Autorin hoffen lässt. Ich werde mich jetzt dann jedenfalls sehr bald mal auch über Teil 1 her machen.

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Himmel Erde Schnee - Teil 2
Autorin Ira Ebner
ISBN 978-3-8459-0478-8
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Das Buch ist über jede gute Buchhandlung in ihrer Nähe erhältlich (genauso wie der Teil 1) Sollten sie es allerdings trotzdem unbedingt über Amazon.de bestellen wollen, möge sie der Schlag treffen...

ihr
Markus Grill
Hobbyliteraturkritiker
und Buchhaptiker


Donnerstag, 21. Februar 2013

Von ein wenig Lohnschreiberei 

und von vielen "Kopf in den Sand-Steckern"


Seit einigen Tagen läuft ein sogenannter Shitstorm gegen einen großen internationalen Konzern namens Amazon. Ausgelöst hat ihn eine Reportage des offentlich-rechtlichen Fernsehens. Irgendwie scheint diese Geschichte einen Nerv getroffen zu haben. Auch meinen eigenen. Sie war offenbar am richtigen Tag zur richtigen Zeit zur Stelle. Sie ist angekommen. Über die üblichen Spartenzielgruppen hinaus. Es mag ja daran liegen, dass nicht der normale Wahnsinn gezeigt wurde. Viele von uns haben mittlerweile eine Art Hornhaut gegen die ganze, alltägliche Scheiße ausgebildet. 

Lohndrückerei und schwierige Arbeitsbedingungen von ZeitarbeitnehmerInnen schrecken die meisten politisch interessierten Menschen - leider - allein für sich nicht mehr auf. Das Nichteinhalten von Arbeitsvertragsklauseln ist mittlerweile - nicht mehr nur in Schmuddelbranchen - ein Kavalliersdelikt geworden. Ebenso wenig ist es offenbar noch aufschreckend, wenn Menschen mit offensichtlich deutlich rechtem Gedankengut bei irgendwelchen Sicherheitsdiensten tätig sind.

Aber beides zusammen in einem Problem? Gibts denn sowas? Menschen, die nach Feierabend immer noch keine Ruhe finden? Menschen, die drei Monate leben wie in einem Status der Internierung? Und das über die Weihnachtszeit. In einer Zeit, in der sich andere, noch etwas besser situierte ArbeitnehmerInnen an den Dingen erfreuen können, die von diesen Anderen verpackt und sortiert wurden.

Ich selbst habe mich relativ bald mit dem Shitstorm gegen das Unternehmen solidarisiert. Nicht, weil ich glaube, dass dies grundsätzlich sofort alle oder auch nur einige der vorhandenen Probleme löst. Ich glaube vielmehr, dass wir im Jetzt ansetzen müssen. Mir gehen  die Gefühlslinken mittlerweile dermaßen auf den Zeiger, die mir erzählen wollen, dass wir das Problem doch bei der Wurzel packen müssten. Außerdem sei es dort und dort und dort noch schlimmer. Und wieso ich dann nicht auch noch bei A, B, C, X und Y engagiert bin, das sei doch mindestens genauso wichtig. 
Ich hab es sowas von satt, erklären zu sollen, dass die Probleme vor der Tür liegen. Die Leute wollen Unterstützung und nicht besserwisserisches Verweisen auf den Kapitalismus als alles erklärendes Weltenübel oder ein arrogantes "ja dann wähl halt im Herbst was Sinnvolles".

Da draußen sind all die Mitmenschen, die jeden Tag mit der vereinigten "Kluckheit" der Springerpresse die letzten wachen Nervenzellen sandgestrahlt bekommen. Die sind keinen Deut schlechter wie Du und ich. Sie haben vielleicht nur keine Kraft mehr, sich nach Feierabend noch mit bestimmten Dingen auseinander zu setzen. 

Keiner von uns kann sich im übrigen dieser Masse an Datenmüll entziehen, die täglich auf uns einprasselt. Da draußen sind auch die kleinen Lohnschreiberlein, die - immer in der Hoffnung, endlich in Medienland fest angestellt zu werden - krude Verteidigungsposts in Twitter, Facebook oder Blogform ablassen. Die Beiträge, die unserer schönen demokratischen Öffentlichkeit erklären, dass es nicht sein könne, dass ein öffentlich-rechtliches Fernsehteam sachlich und ehrlich berichten würde. Diese Trauergestalten eines entfremdeten PR-Betriebes, die gar nicht merken, wie sie den letzten Rest Sozialstaat abbauen helfen, der ihnen selber bislang noch halbwegs den Arsch gerettet hatte. Die nicht merken, was sie da gerade kaputt machen. Weil ihnen wie einem Eselchen die Möhre vorgehalten wird. Immer genau so weit weg, dass sie glauben, irgendwann noch ran zu kommen.

Schuld ist immer DIE Politik. DIE bösen Roten und Linken und natürlich DIE Gewerkschaften. Die Gewerkschaften, die durch ihre ach so überzogenen Forderungen schuld seien, dass die ganzen prekären Beschäftigungen alle ins Ausland verschwinden würden. Bei den echten PR-Knechten genauso (das ist nur ein Teil der Einträge) wie bei den konservativen Kleingeistern mit 2,1 Büchern im Schrank und bei den sogenannten Webtrolls, die sonst keiner beachtet (warum wohl) und die deshalb nur provozieren wollen, damit endlich mal jemand mit ihnen spricht. 

Wer sich eine Weile so eine Diskussion in einem Chat oder auf bestimmten Facebookseiten gibt, muss sich fragen, wie viele egomane A...öcher in allen Gesellschaftsschichten eine Demokratie wie die unsere eigentlich noch aushalten kann, bis sie endgültig den Bach runter gegangen ist.

Liebe Revoluzzer, da draußen findet gerade eine gesellschaftliche Debatte statt! Ausgelöst wurde sie von nicht mehr ganz so kleinen Schmutzeleien eines Systems, welches US-Amerikanische Oligopolisten und ihre Symbionten fördert. Aber die Folgen könnten noch wesentlich weitreichender sein.

Längst geht es nicht mehr um ein Unternehmen allein. Da wird über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und sein Existenzrecht genauso debattiert, wie über Zeitarbeit und ihre Auswüchse als Ganzes. Grundrechte und No-Gos im Arbeitsalltag werden auf den Seiten ebenfalls diskutiert. 

Dass die herrschenden kapitalistischen Eliten besorgt sind, merkt man daran, dass sich die Bild nun bereits auf Seiten des bedrängten Handelsriesen in die Debatte einmischt. Und wie mischt man sich medial in einen solchen Prozess ein? So, dass sich Meinung nochmals ändern lässt? Man nimmt den Aufdeckern eines Skandals das einzige, was sie am Anfang stark macht: Ihre Integrität. Wenn vermeintlich nicht mehr sicher gestellt sein kann, dass alles stimmt, wenden sich viele Menschen wieder angewidert ab. Was ist danach noch Wahrheit? 

Geschickt wird alles in einen Topf geworfen und umgerührt. Am Ende soll der Schmutz überall kleben. Nicht mehr erkennbar sein, wo er seinen Anfang genommen hat ... Leute? Hallo?? Ponyhof gibts vielleicht beim Fleischer um die Ecke. Das ist das wirkliche Leben! Da reichen keine drei netten Paragraphen und ein wenig Marxlektüre. Da brauchts Phantasie und einen starken Magen, um sich diese Debatten noch zu geben. 3 Schritte vorwärts und 3 1/2 zurück. Und dann vielleicht wieder einen nach vorn. Trotzdem. Jeder überzeugte Anonyme gegenüber im Datenstrom des sozialen Netzwerkes, der anfängt, selbst zu denken ist einer mehr. Einer von vielen. Wir sind viele...wir sind sogar ihr Albtraum! Aber nur, wenn wir das auch wollen.

Liebe Revoluzzer, darum passt mal besser auf, dass ihr keine Lampenputzer werdet! Die Menschen vergessen vieles. Sie vergessen aber ganz sicher nicht, wer ihnen in der entscheidenden Phase einer gesellschaftlichen Entwicklung nicht geholfen hat. Das halten sie euch noch in 100 Jahren vor. Zu was? Zu recht!

Die gesellschaftlichen Fragen finden heute statt. Hier. Jetzt. Nicht nur weit weg. Sie liegen quasi auf der Straße. Zwischen Pferdefleisch und Leiharbeitermassenunterkunft. Die Menschen wollen Inhalte. Geben wir sie ihnen! Und helfen wir dabei, die Massen endlich wieder zu politisieren.