Samstag, 4. Juli 2015

Lobbyismus und Einflußnahme -
oder
Ich sehe dumme Menschen“

Den essentiellen Teil von folgendem Text (etwa die Hälfte davon) habe ich einem Menschen in den sozialen Netzwerken mitgegeben, der damit hausieren gegangen ist, dass 99,9 Prozent aller Politikberater doch Lobbyisten wären.
Und man brauchte nur den Lobbyismus verbieten und alles wäre besser. Die Naivität selbst unter Menschen, die eine normale Tageszeitung lesen und zum Wählen gehen ist vielfach einfach nur noch grenzenlos. Ich frage mich, wie eine Demokratie 70 Jahre bei soviel Denkfaulheit, Unwissenheit, Egoismus und Naivität überleben kann?
Die Antwort die ich mir selber gebe, befriedigt mich nicht wirklich, dürfte aber nahe dran sein: Die Gegner der Demokratie sind genauso doof und die Trägheit der Masse ist ein physikalisches Grundgesetz. Aber lest selber:

Lobbyismus

Ja. Den gibt es von allen Seiten: Wirtschaftsverbände, Umweltverbände, Sportverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände. Also nicht nur „die Bösen“ (wo auch immer man selber gerade nicht steht). Die sogenannten Lobbyisten und Meinungsmacher machen halt im jeweiligen Wahlkreis Druck, wenn man ihnen in irgendeiner Form verbietet, in den Parlamentsgängen oder innerhalb der Berliner Bannmeile herum zu laufen oder nach einem Wirtschaftsjob sich in einem Ministerium zu bewerben (bzw. umgekehrt). Ganz praktische Frage: Wie soll man den Versuch der ("nicht die erfolgreiche!") Einflussnahme verhindern?

Lobbyisten tragen keinen roten Kreis auf der Stirn gemalt oder – zeitgeistgemäßer - eintätowiert . Sie schreiben auch Artikel (von denen sich dann auch jeder Politiker aussuchen kann, ob es eine Einzelmeinung ist oder ob da jemand an einen Interessenverband gebunden ist). Sie sitzen in Talkshows, sie haben Lehrstühle in Universitäten...
Warum an Universitäten? Ganz einfach: Weil die meisten teuren Forschungsprojekte auch Firmen- und Verbandsfördergelder brauchen, dass es sie überhaupt gibt. Die Welt ist komplizierter, wie die meisten glauben. So lange ausgewogen auf die Lobbyisten gehört würde; also Gewerkschaften, Sozialverbände und Umweltorganisationen genauso Gehör fänden, wie die Herren Sinn, Markwort oder z.B. die BDI-Führung, wäre die Welt in Ordnung. Heiß und Eiskalt gibt zusammen zimmer-warm.

Das Problem ist nicht der Versuch der Einflussnahme. Das Problem ist eine naive Wirtschaftsgläubigkeit bis hin zur kompletten Ausschaltung des eigenen Hirnes, wie bei einer Sekte. „Die Märkte“ müssen befriedigt werden. Nicht nur in Teilen der ersten Reihe der Politik. Auch in der ersten Reihe der Journalisten ist das breit vertreten. Trial and Error. Wer lange genug in Redaktionen erleben durfte, wofür Chef und Verleger loben und wofür die Abmahnungen kommen, der verinnerlicht so etwas vermutlich, wie die berühmte heiße Herdplatte. Da wird dann die Kritikfähigkeit irgendwann in den Mitdreißigern abgegeben zu Gunsten des Zweit-SUV, der Abzahlung des Reihenhauses und der Privatschule des Nachwuchses. Das ist nicht schön, aber so oder so ähnlich funktioniert menschliches Zusammenleben seit mehr als 2000 Jahren.

Damit kommen wir nun bereits zum Problem mit der fehlenden Waffengleichheit verschiedener Einflussgruppen. Wer mehr zu bieten hat (nicht nur direkt und sofort pekuniär), der sticht im Spiel um Meinung und Gehör. Aber so einfach, wie es gerne dargestellt wird, ist es halt leider auch wieder nicht. Wie wollen sie einem brillanten jungen Kopf in einem demokratischen Staat verbieten, sich bei einem Ministerium zu bewerben, der vorher z.B. bei der Pharmaindustrie gearbeitet hat? Vor allem, wenn man eineN Fachmann/Fachfrau zu einem bestimmten Bereich (hier z.B. Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten) braucht. Die Spezialisten kommen oft genau aus der Branche, mit der sich die Behörde oder das Ministerium auseinander setzt. Woher sollen die Leute denn sonst kommen? Die wachsen nicht auf den Bäumen und haben diese fachliche Ahnung nicht gleich von selber.
Sonst müssten sie sie immer frisch von der Uni nehmen. Aber das geht auch wieder schlecht (zumindest für die wichtigen Entscheider- und Beraterjobs, auf die dann auch wenigstens manchmal gehört wird), weil diese dann wiederum beim ersten Gesetz / der ersten Auseinandersetzung gnadenlos von der Wirtschaftsseite über den Tisch gezogen würden. 

Was vielen führenden politischen Köpfen fehlt, ist es, sich immer beide Seiten eines Problems anzuhören und ist es auch, bei Gegenwind mal eine Weile durchzuhalten. Und es ist meistens ein Problem des Zeitmanagements. Wer sich nicht in seine eigene Materie einliest und nur auf Berater hört (dies geschieht meistens aus Zeitmangel), derjenige / diejenige hat schon von Anfang an verloren. Es tut sicher weh, sich Zeit zum Einlesen aus den Rippen schneiden zu sollen, wen man ein Spitzenamt übernimmt. Die 100 Tage von früher werden ja nicht mehr zugestanden. Aber dieses Problem befriedigend zu lösen, das erwarte ich ganz einfach von jemanden in einem Spitzenamt des Staates.

Da wären wir schon am nächsten Punkt: Der Forderung, dass nur Fachleute aus dem jeweiligen Bereich Minister werden sollten. Auch den Unfug hab ich schon gelesen. Das sind dann aber oft die selben Menschen, die sich beschweren, warum zu wenig Arbeiter und kleine Handwerker in den Parlamenten sitzen. Diese Forderung ist (wenn auch erst bei genauerem Hinsehen) noch ein wenig dämlicher, als das Verbot des Lobbyismus (eines menschlichen Naturgesetzes) zu fordern. Damit hebelt man nämlich die Demokratie aus und fordert dazu auf, nur noch bestimmte Berufsgruppen zu bestimmten Ämtern zuzulassen. Mal davon abgesehen, dass man damit im Zweifel den Bock zum Chefgärtner machen würde, wenn man wenigstens konsequent in der naiven Antilobbyargumentation fort fahren würde.
In einer Welt, in der schon jetzt Verwaltungsjuristen, Anwälte, sonstige höhere Dienst-Beamte und Lehrer die Politik dominieren und der normale Bundesbürger noch immer auf dem Bauch im Kottau in der Wahlkabine liegt, wie zu Kaisers Zeiten, wenn ein Doktor- oder Adelstitel davor steht. Ständestaat? Kastensystem? Auch das wären die Folgen einer Umsetzung...

Ach so, die meisten wissen ja gar nicht, um was es geht. War das nicht genau das Problem, dass die meisten gar nicht mehr durch steigen, wie sie selber manipuliert werden? Aber von ihren Volksvertretern bereits beim kleinen ehrenamtlichen Gemeinderat einfordern, dass sie immer bei allem durchsteigen. Das ist dann nicht mehr nur dumm, das ist dann schon eher unverschämt. Besonders dann, wenn genau diese Kritiker dann selber ehrenamtliche Totalverweigerung betreiben.

Zu lang geworden? Ja, die Welt ist halt so kompliziert und nein, wenn alles in 2 Sätzen erklärbar wäre, hätten wir keine Probleme. Aber die haben wir. Sie heißen Bräsigkeit, Politikverdrossenheit, Naivität und Trägheit der Masse. Aber damit wären wir vermutlich wieder am Anfang. Hab ich eine Lösung? Nein! Ich beschreibe nur ein System. Hätte ich eine, dann würde ich hier nicht bloggen, sondern als externer Berater viel Geld einstreichen...! Nein? Doch! ... Oooooh!