Freitag, 18. Mai 2012

Blockupy - oder wie die Demokratie zur hohlen Blubberphrase verdorrt.

Ich habe einige Monate nichts mehr gebloggt. Aber das Thema schockt mich. Es bewegt mich und es regt mich tierisch auf. Jeden Tag. Auf meine Wortwahl muss ich bereits achten, so sehr kotzt es mich an,  wie sehr wir derzeit überall von Dummheit, Rückschritt und Mittelmaß umgeben sind.

Wir schreiben den 17. und 18. Mai 2012. Demokratische Gruppen kündigten eine Demonstration an. Sie wollen ein Stadtviertel blockieren. Durch Aktionen, eine Demo, Sitzstreiks. Mehrere der Veranstaltungen, eigentlich die meisten wurden etliche Tage davor offiziell angemeldet. Von braven Staatsbürgern. Keine davon wird letztendlich genehmigt werden. Die Justiz lehnt diese Veranstaltungen durch alle Instanzen ab. Teilweise mit grenzwertigen Begründungen. Reisebusse, die auf die Stadt zufahren, mit unbewaffneten Menschen darinnen, werden weit vor der Stadtgrenze zurück geschickt. Die Insassen erhalten mehrtägige Verbote, die Stadt zu betreten.

Fernzüge, die durch diese Stadt fahren, bekommen wegen "polizeilicher Ermittlungen" massive Verspätungen. Hunderte Menschen werden verhaftet, ein Zeltdorf wird gewaltsam geräumt. Ein Stadtrat einer Oppositionspartei des örtlichen Magistrats erhält einen Platzverweis, obwohl er sich als "parlamentarischer Beobachter" ausweisen kann.

Menschen, die sich gegen die willkürliche Außer-Kraft-Setzung ihres Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit zur Wehr setzen wollen, in dem sie nun genau für dieses Recht demonstrieren möchten, wird dies ebenfalls untersagt. Es werden bei all diesen Veranstaltungen nicht "nur" Teile untersagt, so dass halt das betroffene Bankenviertel noch eingeschränkt erreichbar wäre. Nein. Es wird ohne Ansehen so gut wie alles verboten.

Wo gibt es so etwas? Das ist doch bestimmt in einem dieser totalitären Staaten? War da nicht gerade was? Russland etwa? Aserbaidschan? Nein. Ganz falsch. Dies passiert nicht in Moskau und nicht im Kaukasus. Putin ist diesmal unschuldig daran. Dies passiert jetzt. Hier! Im Moment! Gerade mitten in Deutschland. In einer Stadt namens Frankfurt. Der sogenannte Staat geht - wieder einmal - mit harter Hand gegen die Stimme der Massen vor. Gegen Menschen, die einfach nur Aufmerksam machen wollen. Leute, denen ihr Gemeinwesen noch nicht egal ist. Denen nicht alles am Arsch vorbei geht. Die sich wehren wollen gegen die Allmacht des Finanzkapitals. Dessen Lobby ihrer Ansicht nach die Politik schon längst in einem lebensgefährlichen Würgegriff hat.

In einer Welt, in der die Medien kritiklos berichten, dass demokratische Wahlentscheidungen für einen Präsidenten Hollande die Märkte gefährden könnten. Eine Welt, in der sich Verbandsgroßknechte der Geldmarktlobby in Phoenix oder bei Maischberger darüber auslassen können, wie schädlich und schuldenlastig eine Sozial- und Bildungspolitik ist, die den Menschen wenigstens die nötige Luft zum atmen lassen würde. Eine Welt, in der sich eine Wahlsiegerin Hannelore Kraft dafür rechtfertigen soll, dass sie Politik für die kleinen Leute machen will. Dass sie versucht, den Menschen ein wenig private Handlungsspielräume zurück zu geben. Hoffnung auf ein wenig Hoffnung.

Eine Welt, in der Medial nur die Art von Politik noch zählt, bei der sich egomanische DoktorarbeitenabschreiberInnen mit unfähigen LuftnummernschwaflerInnen und konservativen SchwellköpfInnen gegenseitig die Vorteile ihrer Ämter hin und her nepotisieren. Immer vorher juristisch wasserdicht geprüft, dass man die vorhandene Vorteilsnahme zwar schmecken aber rechtlich knapp nicht belangen und beweisen kann. Schmierentheater mit immer schlechter werdenden Darstellern.

Eine Welt, die der Wählerschaft in Griechenland ihre demokratische Entscheidung am liebsten verweigern würde, in freien Wahlen ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. Ja so ist das halt! Menschen werden nun einmal irrational in ihren Entscheidungen, wenn sie an die Wand gedrückt werden...! Das Leben ist kein Ponyhof.

Eine Welt, bei der jede verfickte kleine Nazidemo von vor Angst schlotternden Juristen genehmigt wird, die dazu auf das Grundgesetz in allen Nebensätzen verweisen. Das selbe Grundgesetz, das auf einmal nicht mehr gilt, wenn es Menschen einfordern, denen es einfach nur mal langt. Menschen, die sich nicht nur zum Wahlvieh degradieren lassen wollen.

Menschen, die aus lauter Verzweiflung Karnevalstruppen wie den Piraten ihre Stimme geben. Weil sie sich nicht mehr ernst genommen fühlen und sie glauben, dass es eh scho wurscht ist. Traurig genug. Auch für die, die im System was ändern wollen. Und das ist derzeit trotzdem künftig unser kleinstes Problem, wenn sich nicht bald, sehr bald etwas sehr sehr deutlich ändert.


Wenn demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit mit Füßen getreten werden. Wenn Justiz und Staatsschutz gleichzeitig über Jahre blind und taub gegenüber rechtem Terror agieren. Wenn gleichzeitig alternative Omas und Opas mit Wasserwerfern diszipliniert werden.  ...

Wenn Konzernoligarchien und Energieriesen jahrelang mit überhöhten Preisen Verbraucher verarschen können und kein Kartellamt mehr dagegen vorgehen kann.  ...

Wenn Geld lieber in eine Herdprämie gesteckt wird, an statt für eine gute, hochwertige Betreuung zu sorgen und echte Unterstützung von bedürftigen Familien mit Kindern zu organisieren.

Wenn Studiengebühren auf Bankkonten vor sich hin lagern, an statt, dass ein Land sich um das wichtigste Gut seiner Zukunft kümmert: Die Bildung. Geistige Bildung, kostenlose Bildung. Lernen für die eigene Entwicklung, Wissen um der Wissenschaft und um des sozialen und gesellschaftlichen Fortschritts wegen. Nicht Pseudobildung für das kurzfristige Schema von Angebot und Nachfrage. Auf Halde produziertes Menschenmaterial für den Arbeitsmarkt. Pflegeleicht und ohne eigenen Willen. Wo das Wissen gleich hinter dem BWL-Lehrbuch oder dem 'Schaltplan verstehen' aufhört...

...wenn dies alles geschieht, dann entsteht eine Saat, die voller Gift ist. Gift für ein vereinigtes Europa, Gift für die Demokratie, Gift für Kultur und Geist. Eine Saat, die Terrorismus schürt. Auch in bisher ruhigen Vorstädten. Besonders bei Menschen, die bereits ohne Perspektiven geboren werden. Deren Ideale in einem Umfeld aus Gangs, Fundamentalismus und Mietskasernen zu Scherben getreten werden. Falls sie je den Luxus hatten, Ideale entwickeln zu dürfen.

Sagt nicht, wir haben euch diesmal nicht rechtzeitig gewarnt!
Sagt nicht, ihr hättet es nicht rechtzeitig mit bekommen, was da im Entstehen ist. Weil ihr mit eurer Zweidrittelmentalität (von der nochmals eines der beiden Drittel abrutschen wird) nicht begriffen habt, wie sehr ihr euch in eurer Selbstgefälligkeit eingerichtet habt.


Sagt nicht, dass ihr die Signale der Völker diesmal nicht hört...

Das Wetterleuchten ist bereits ein Donnergrollen. Und der Wind, der frischt auch schon auf. Eisig bläst er und er wird manches hinweg fegen...