Freitag, 8. Juni 2018

Wenn Politik schmutzt und im Weg ist

Meine Forderung: Wir brauchen bundesweit endliche eine praktische Handhabe, welche einzelnen weltfremden Kommunalorganen verbietet, demokratiefeindliche Plakatsatzungen zu erlassen. Solche, die die Präsenz vor Wahlen auf ein Spießerpuppenhausgrößenminimum von ein paar Gemeinschaftstafeln und 4 Wochen reduzieren. Eine Handhabe, die weder Gerichte blockiert, noch Menschen belastet, die in der Zeit als Verfassungsauftrag um Wählerstimmen und Inhalte kämpfen müssen.

Demokratie muss wieder im öffentlichen Raum präsent sein dürfen. Überall. In Stadt und Land. Über 8 Wochen meinetwegen. Das würde ja schon ausreichen.Und dazu gehört auch, dass sie Leuten in dieser Zeit auffällt. Dass sie quasi im Weg und am Weg herum steht. Und auch mit Großflächen, so lange sie niemand die Sichtachsen im Verkehr nimmt. Auch mal beschädigt, auch mal durchnässt und auch mal als Geschmacksverirrung.

Es ist klar, dass irgendwo Grenzen gezogen werden müssen. Auch deshalb, damit nicht sehr vermögende Parteien und Kandidaten überrepräsentiert sind. Aber davon schreibe ich hier bewusst nicht. Weil das Problem mittlerweile online wie offline eher selten geworden ist. In Zeiten viraler Webwerbung und Flyern, produziert für Bruchteile von Cent. Oft ist inzwischen bei Plakaten das Gegenteil der Fall. Manchmal mag am Anfang die Gleichbehandlung der Grund gewesen sein. Inzwischen strotzen aber derartige Regulierungstexte häufig eher zwischen den Zeilen vor unterschwelliger Verachtung der Wahlkämpfenden und ihrer Ausgangslagen.

Gerade in Zeiten des Internet fallen Plakate und Außenwerbung/en wieder mehr auf. Sie sind gleichzeitig anachronistisch und sehr modern.Wenn sie gut gemacht sind, sind sie Hingucker. Wenn nicht dann zeigen sie uns trotzdem so manches über den Auftraggeber, was vielleicht wichtig wäre, zu wissen. Nicht unbedingt gut für den betroffenen geschmacksverirrten Politiker. Aber im Endeffekt auch gut für die Demokratie.

Wer als Gemeinderat allgemein damit ein Problem hat, dass Parteiwerbung öffentlich präsent ist, sollte sich eher fragen lassen, ob das eigene politische Verständnis auf die Arten des Straßenpflasters und die neueste Änderung der Friedhofssatzung beschränkt bleibt. Dafür würde dann ein (oder sogar 14 bis 40)  Pappaufsteller im Rathaussitzungssaal ggf. als Ersatz auch ausreichen.
Wie soll man denn sonst gerade junge Leute und neu Zugezogenen eine Chance geben, sich bei den Alten bekannt zu machen bei einem Wahlsystem, das Menschen begünstigt, die in 1000 Vereinen sind, aber in keinem davon richtig was arbeiten?
Welches die ganzen Grüßgottkasperln der Landgemeinden bis zu den Mittelstädten bevorteilt, die zwar auf jedem Fest präsent sind, aber dann fehlen, wenn es um das klein klein hinter Projekten geht.

Welches leider auch Menschen bevorzugt, deren Vorfahren lediglich den eigenen Namen in ausreichender Anzahl 400 Jahre lang auf eine Gemeinde verteilen konnten. Was an sich noch nicht unbedingt ein zivilisatorischer Verdienst sein muss.

In der Großstadt ist das anders. Da wird noch eher nach Parteipräferenz entschieden und die Listenreihung hat Einfluss auf die Chancen. Auch von jungen und engagierten Talenten. Auch sind derartige Satzungen dort wegen der Anzahl der potentiell Klagenden eher unwahrscheinlich. Ich persönlich habe es satt, dass "unser Dorf soll schöner werden" oft wichtiger ist, als 73 Jahre gewachsene Demokratie zu bewahren.

Mir stellen sich auch die Nackenhaare auf und ich bekomme das Gruseln über gehirnbefreite Aussagen in der Art "Parteipolitik hat in der Kommunalpolitik nichts verloren". Auch schon so von Bürgermeistern gehört. Ein Ausspruch, welcher seltsam oft parallel in Regionen und Orten zu hören ist, wo die genannten Plakatsatzungsprobleme auftreten.

Als ob Sozialpolitik wie der Bau bezahlbaren Wohnraumes unterhalb der Landesebene aufhört. Als ob die Entscheidung, wie ein kleiner Gemeinde oder Mittelstadthaushalt im Rahmen der engen Grenzen bestmöglich eingesetzt würde, keine verdammt politische und auch sehr parteiische wäre. Da geht es übrigens nicht um "Parteipolitik" (was auch immer das sein soll), sondern politische Grundüberzeugungen. Und zwar auf allen Ebenen. Und die werden in unserem demokratischen System nun einmal auch und gerade von Menschen in Parteien vertreten. Von parteiischen Menschen. Von Menschen mit einer Meinung.

Demokratie ist Bringschuld. Aber sie ist auch Holschuld. Sie muss sich nicht entschuldigen, dass sie Raum einnimmt. Sie darf sich dafür nicht entschuldigen. Niemals. Dieser Raum kommt uns allen zu Gute.
Wenn wir ihn nicht mehr haben, ist es zu spät, um zu jammern.

Mit den besten parteiischen Grüßen vom grantelnden bayerischen Sozi 
und Landtagskandidat
Markus Grill