Freitag, 16. März 2018

Möge die CSU in interessanten Zeiten leben

Der Islam gehört nicht zu Deutschland - das sagt also der selbe Horst Seehofer, der 1994 den Buß- und Bettag als Gesundheitsminister für die Pflegeversicherung abschaffen half. Man hätte damals stattdessen ja auch Kapital gescheit besteuern können. Aber da ist das C in der CSU auf einmal dann doch keinen krummen Heller mehr wert, wenn es um echtes gelebtes Christentum geht. Ja auch ich kann populistisch. Das geht auch von links. Überhaupt kein Problem.

Der Islam gehört nicht zu Deutschland - das sagt also der selbe Horst Seehofer, der in den letzten Monaten dafür gesorgt hat, dass die Sozialarbeit im Umfeld der Flüchtlinge massiv herunter gefahren worden ist in Bayern. Man könnte den Eindruck haben, Konflikte sind künftig bewusst erwünscht, um einem starken Staat das Wort zu reden. Hohe rechte und konservative Wahlergebnisse auf Kosten der ärmsten in der Gesellschaft. Gift für die Demokratie für kurzfristige Wahlerfolge.

Liebe CSU, wir lassen euch das nicht durchgehen. Und mit Verlaub, es ist mir in dem Zusammenhang schnurz, ob wir euch auf Bundesebene in einer Koalition ertragen müssen! Wir werden euch im kommenden Landtagswahlkampf stellen! Hier in Bayern. Bei den Fragen, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind:

  • Beim fehlenden Wohnraum und den von euch verschacherten staatlichen GBW-Wohnungen. 
  • Beim Umgang mit Geld. Wo ihr Milliarden in der Hypo-Alpe Adria mit euren rechtskonservativen österreichischen Freunderln versenkt habt.
  • Bei der dritten Startbahn, die wir ganz verhindern werden. Nicht nur ein wenig und nicht nur auf Zeit!
  • Bei der ökologischen Entwicklung des Landes. Von Atomarer Wiederaufarbeitung in den 1980ern über Rietberger Horn bis Dieselskandal. Überall waren und sind CSU-Minister beteiligt, wenn es um rückschrittliche Politik gegen die Menschen geht.
  • Bei einem Ehrenamt in Blaulichtorganisationen und Vereinen, das Antworten erwartet, wie es sich bei immer flexibleren Arbeitszeiten noch leben lassen soll. Dieses Ehrenamt, der Kit in der Gesellschaft gerade auf dem Land und in Kleinstädten habt ihr in Gefahr gebracht! Es gibt keine Landesbildungsurlaubsregelung. (14 Bundesländer haben eine, 2 nicht). Eine Regelung, die ehrenamtliche Fortbildungen einschließt somit erst recht nicht.
  • Bei der Digitalisierung. Die Menschen erwarten erstmal keine Flugtaxis. Sie erwarten ein schnelles Internet egal ob am Stachus in München oder auf dem Einödhof in der nördlichen Hallertau. Und sie erwarten Datenschutz, der nicht einer die Menschen vorverurteilenden autoritären Innenpolitik geopfert werden darf.
  • Und schließlich: Bei einer menschlichen Politik, die Heimat als den Ort versteht, an dem Einheimische, Preißn, Gastarbeiter, Flüchtlinge, Jung und Alt, Mann und Frau erst einmal als Menschen im Sinne der Liberalitas Bavariae behandelt werden. An dem sie einen Rückzugsort haben, um in Ruhe leben zu können.
    Ein laizistischer Staat, der sich ruhig auch mal seiner christlichen Wurzeln bewusst sein darf. Diese Wurzeln heißen aber - ganz im Sinne der Bergpredigt - Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit. Gewürzt wird das Ganze mit ein bischen aufgeklärter preussischer Zuwanderung ins Voralpenland: "Jeder soll nach seiner Facon seelig werden!"
Lieber Horst Seehofer, diese ekelhaften Nebelkerzen mit künstlich aufgebauschten Konflikten zwischen Religionen, Etnien oder Regionen werden wir als das entlarven, was sie sind: Die letzten Zuckungen einer Staatspartei, die schon lange nicht mehr die Interessen der Bayerinnen und Bayern vertritt. Deren strategische Spindoktoren künstlich Themen kreieren müssen, weil ihr auf die echten Fragen des Alltages keine gescheiten Antworten und Problemlösungen mehr einfallen.

Ich wünsche uns einen harten Wahlkampf. Und der CSU wünsche ich frei nach einem alten chinesischen Spruch, den ich ihr ins Stammbuch schreibe: "Mögest Du in interessanten Zeiten leben!" Dass das kein unbedingt positiver Wunsch sein muss, kann sich jeder Interessierte gerne ergoogeln...

Euer Landtagskandidat
Markus Grill

Dienstag, 6. März 2018

Bilderstürmer 2018 - Oder: Wenn moderne Sprache Argumente ersetzen soll

Warum halte ich den Vorschlag, die Nationalhymne zu gendern, für einen Fehler? Oder Bayrisch gesagt, für einen ausgemachten Schmarrn? Das hat mehrere Gründe, die ich hier einfach mal zu Papier bringen möchte. Trotzdem geht das nicht so einfach in ein zwei Sätzen. Ein paar Bemerkungen Vorab:

Auch ich sehe das so, dass Kultur und Gesellschaft sich in einem stetigen Wandel befinden. Was vor 200 Jahren, vor 100 Jahren oder auch nur vor 10 Jahren modern war, ist heute überholt. Dies gilt nicht nur für wissenschaftliche Entwicklungen. Auch Kultur und menschliches Zusammenleben sind davon betroffen. Wenn man hier Modeströmungen mal außer acht lässt, ist eines schon mal klar und muss uns allen klar sein:
Keine und keiner von uns (zumindest niemand aus dem demokratischen Spektrum) sollte auch nur irgendein Interesse daran haben, die wenigen und hart erkämpften Errungenschaften der Gleichstellungspolitik in Frage zu stellen. Hier sind wir auf einem langen Weg, der oftmals den Eindruck erweckt, erst wenige Schritte in die richtige Richtung vorangekommen zu sein.

Ich gestehe deshalb der SPD-Genossin Kristin Rose-Möhring zu, dass sie auf diesem schweren Weg einen weiteren Schritt nach vorn erreichen wollte. Sprache ist einem stetigen Wandel unterworfen. Sprache ist nicht nur Zeitgeist und wo sie es ist, ist Zeitgeist oft Deutungshoheit. Manchmal ist Sprache auch ein Symbol für Macht in unserer Gesellschaft.

Warum bin ich nun - und das ausgerechnet 2 Tage vor dem Weltfrauentag - gegen diese Änderung unserer Nationalhymne? 
Zuerst einmal handelt es sich um einen historischen Text. Ich halte es grundsätzlich für einen Fehler, Weltliteratur, Klassische Architektur, bestehende Kunst und große Werke von Musik und Oper per Verordnung dem Zeitgeist oder der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen.

Dies hat nichts damit zu tun, dass Texte, Opern, Musik und Architektur natürlich kopiert, neu interpretiert oder abgewandelt neu entstehen dürfen. Das müssen sie vermutlich sogar in regelmäßigen Abständen. Nennt sich Freiheit der Kunst. Nennt sich Kreativität. Jede Generation muss sich neu mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen. Erstes, zweites und drittes Rokoko seien hier genauso genannt, wie klassische Opern modern inszeniert oder Kopien historischer Bauwerke in Las Vegas bzw. in China.

Um was es mir geht und was ich für einen absoluten Denkfehler in der Debatte halte, ist es, einen derartigen Text dauerhaft der Moderne anpassen zu müssen. Die Urversion wird dann auch zu Spezialwissen von Kunsthistorikern und Literaturwissenschaftlern degradiert. Eine solche Vorgehensweise mit historischen Werken, sobald sie uns überholt erscheinen, ist meines Erachtens eine neue und ziemlich dümmliche Form von Bilderstürmerei oder Kulturkampf.

Mit mindestens 3 negativen Folgen:

1. Mangel an Sprachfähigkeit und Verlust der Fähigkeit sich mit kritischen Texten auseinander zu setzen. Gehen wir nun allen problematischen Texten und veralteten Formaten aus dem Weg, in dem wir sie auf unsere Zeit umändern und die Urversion ins Archiv abschieben? Wer außerhalb von Deutsch-Leistungskursen und Literaturvorlesungen an der Uni ist denn dann künftig noch sprachfähig? Werfen wir Dinge, die uns nicht mehr zeitgemäß erscheinen ins Vergessen? Ist das wirklich die Lösung, die den gesellschaftlichen Fortschritt voran bringen soll?

2. Es ist falsch, Themen für rechte Schwätzer und braunen Mob zu schaffen, anstatt die echten Probleme der Gesellschaft im Bereich Gleichstellung und Familienpolitik auszufechten.
Wer aus Politik und Wissenschaft an die Sprache heran geht, löst in weiten (leider auch den nicht informierten) Teilen der Gesellschaft erst mal ein kritisches Gefühl aus. Eine Abwehrhaltung. Es entsteht ein Bauchgefühl von "die da oben wollen uns wieder mal etwas aufdrücken!" .
Ich persönlich glaube, es gibt lohnenswertere Baustellen, die Konservativen und auch die Ganz Rechten in der Gesellschaft beim Thema Gleichstellung zu stellen:

Lohngleichheit von Mann und Frau, gleiche Aufstiegschancen, Reformen bei Ganztagsbetreuung und Wiedereinstieg in den Beruf, Familienarbeitszeit. Oder auch "nur" einen modernen ECHTEN laizistischen Staat beim Thema Familienplanung, bei dem die Frau am Ende auch immer die Entscheidung trifft und dabei auch immer unterstützt wird. Nur um einige Baustellen zu nennen.

Für mich als anstehenden Landespolitiker entsteht wieder einmal der Eindruck, dass sich ein/e Vertreter/in der Bundes-SPD um die wirklich harten Debatten mit den bisherigen und künftigen Koalitionspartnern herum drücken mag. Debatten, die mehr verdient haben, als dass sich meine Partei wieder einmal zum Gespött macht, weil es keiner versteht und auch nur wenig bringt. Darauf habe ich endgültig keine Lust mehr!

3. Kunst und Kultur darf unvollkommen sein. Wenn gesellschaftlicher Fortschritt Ansichten zum Guten verändert, heißt das nicht, dass ein alter Text, ein Musikstück oder eine Architektur gewordene Aussage nicht zu ihrer Zeit trotzdem revolutionär, genial oder epochal war! Würden wir uns freuen, wenn auch die positiven Errungenschaften unserer Zeit mit all ihren Fehlern von unseren NachfahrInnen alle mit der Planierraupe platt gemacht würden?

Ich wünsche mir mehr Mut, sich der Vergangenheit zu stellen. Bei Altem und Angestaubtem Fehler und Schwächen zuzulassen. Und wenn es nur deshalb ist, um sich daran zu reiben. Einfach mal etwas stehen zu lassen als das, was es ist, heißt im Umkehrschluss nicht, dass man nicht gleichzeitig die Welt neu erfinden darf.

Das ist meine - linke - Definition von der gerne zitierten Liberalitas Bavariae.

Ein wenig mehr Leben und Leben lassen wünscht sich

Euer
Markus Grill