Samstag, 19. November 2011

Vertrautes - eine Liebeserklärung

Erde. Es riecht nach frischer Erde.
Modrig, eine Mischung aus abgestorbenen Blättern,
Pilzen, verdunstendem Tau.
Trockenes Gras vom letzten Sommer. Abgeerntete Felder mit Maisstoppeln.
Der Ruf von Saatkrähen in der Ferne. Weite! Nähe.

Sanfte Hügel. Grauer Nebel. Spätherbst.
Leichter Wind, kalte Luft. Häuser ducken sich in die Landschaft.
Alte Bauernhöfe, daneben Neubaugebiete, Reihenhäuser.
Dazwischen eine Kirche mit Zwiebelturm.

Die häßlichen Hallen und Zweckbauten eines kleinen Industriegebietes
ein paar huntert Meter weiter.
Eine Straße mit einzelnen Autos, die durchfahren.
Start, Ziel, dazwischen Weg.
Überbrückung. Normalität. Lästige Fläche, die Zeit kostet.

Eine Straße, die hinaus führt, eine die hinein führt. Reste einer Allee.
Schwäbisch-Bayerisches Flachland. Irgendwo bei Augsburg. Westlich von München.
Altes Land, Bauernland, Arbeiterland.
Schmucklos, ohne Postkartenidylle. Mehr Regentage und Nebeltage als Sonnentage.
Die Baustelle einer Nebenstraße. Orangeweiße Barken.
Barken, die da stehen wie bestellt und nicht abgeholt.
Schon vergessen bis nächstes Frühjahr?

Ehrliches Land. Mit Menschen wie überall.
Guten und Schlechten.
Reichen und Armen.
Vielen Dummen und auch ein paar Gescheiten.
Land mit Bausünden und dazwischen den wenigen Resten von Geschichte,
Resten von Kultur, Felder, Landschaft. Ein klein wenig Wald.
Hässliche Stellen. Narben in der Landschaft.
Nahe heran rücken die Städte auch an Dich.

Viele Herren hast Du gesehen in den letzten 2000 Jahren.
Dich haben sie dabei vermutlich sehr selten genauer beachtet.
Warst ihnen zu normal für ihre Schlossbauten, ihre Parks. Warst einfach zu unscheinbar.
Du warst am Rand. Eigentlich immer.

Hast meistens nur beigetragen.
Warst Statistik in Katasterbüchern und in Staatsschemata.
Warst irgendwo zwischen Zentrum und Grenze.
Beigabe.

Hast beigetragen. Für die Größe anderer.
Ernten, Ertrag aus kleinem Mittelstand, Handwerk. Manchmal auch mehr.
Umland. Stafage für Wichtigeres. Für Auffälligeres.
Stafage für wichtige Städte, wichtige Menschen,
Für fremde Orte. Im Norden. Im Osten. Im Westen. Im Süden.
Für ihre Größe. Ihre Ziele. Ihre Fürsten.
Ihre Diktatoren.
Ihre Katastrophen.

Warst oft Durchzugsgebiet früher. Für Armeen,
für Wagenkolonnen von Standesherren auf der Reise.
Bist Durchzugsgebiet heute.
Heute. Für Urlauber auf der Autobahn. Im Fernzug. Für Lastwagen.
Für Pendler. Manche der Pendler bleiben. Notgedrungen häufig nur.
Eigentlich wollen sie ja weg. nach der nächsten Gehaltserhöhung.
Strukturschwach bist Du, heißt es.
Rand einer Metropolregion nennen sie Dich. Sehen das als Kompliment.
Kommen Abends aber wieder. Die Metropole ist zu teuer für sie.
Nehmen sie Dich wahr?

Graue Wolken, graugrüne Wiesen, Novemberhochnebel.
Letzte braune Blätter an den Bäumen.
Die alte Mauer am Ortsrand, bröckelig. Kein Denkmal.
Nachmittags spitzt manchmal die Sonne durch.

Weite. Nähe. Wurzeln. Gerüche, Nieselregen.
Unauffällig. Unwichtig. Keine Postkartenidylle.
Ohne Namen. Nur mit vertrauten Eindrücken.
Riechst nach Land, Wind, Gülle, Moder, abgeernteten Feldfrüchten.
Flach, wenige unmerkliche Hügel.
Spätherbst.

Dinge, die mich erden. Mir Ruhe geben.
Und Kraft. Raum, wo ich hin zurück kann.
Wo der Wind weht. Kalt, manchmal grau.
Wo ich aber Ruhe hab auf dem Weg,
zwischen den abgeernteten Feldern.
Dem unbefestigten kleinen Feldweg mit den Schlaglöchern.
Wo ich innerlich frei sein kann.

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