Dienstag, 15. November 2011

Unwürdig

Wir haben also einen Verfassungsschutz.
Verfassungsschutz ist ein schöner Name für etwas Graues, etwas Unsichtbares, etwas Molusk-indifferentes.
Ein ungewöhnlicher Name für einen Inlandsgeheimdienst.


Für wen und was haben wir diesen Inlandsgeheimdienst?
Was sind seine Aufgaben?


Wir haben eine Polizei, und zusätzlich haben wir sogar noch eine Bundespolizei. 
Wir haben Militär. Wir haben Technisches Hilfswerk.
Was danach noch über bleibt, sollen die Geheimdienste bewerkstelligen. Bei uns also auch der Verfassungsschutz.


Was ist seine Aufgabe?
Altkommunisten und Altsozialisten überwachen?
Menschen, die im KZ für ihre Überzeugung gelitten haben überwachen?
Wohl kaum!


Was ist seine Aufgabe?
In Bayern eine linke Partei zu überwachen, die in anderen Bundesländern an der Regierung beteiligt ist
und dort den Dienstvorgesetzten der Partnerorganisationen stellt?
Wohl kaum!


Ist es seine Aufgabe, eine brauen Soße derart mit V-Leuten zu überschwemmen, dass Bundesgerichte nicht
einmal mehr in der Lage sind, zu unterscheiden, wer Nazi und wer V-Mann ist, wer Provokateur und wer Terrorist? Und deshalb ein Verbot dieser Partei unmöglich wird. Unabhängig wie effizient und sinnvoll es wäre.
Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen!


Andererseits kann ich mir inzwischen viel vorstellen. Aber ich will mir diese Ungeheuerlichkeit nicht mehr vorstellen müssen! Alleine die Vermutung, dass es Überschneidungen zwischen dem Terror und der Terrorüberwachung geben könnte hat etwas so Ungeheuerliches, dass es jedem echten Demokraten die Zehennägel aufstellen müsste. Wer infiltriert hier eigentlich wen?


Ich habe in einem großen sozialen Netzwerk einige Zeilen eines Zitates gepostet:
Verfassungsschutzbericht Bayern von 2009, Seite 184: 
"Die VVN-BdA organisiert die bundesweite Kampagne 'nonpd' zur Durchführung eines erneuten NPD-Verbotsverfahrens. Derartige Forderungen dienen zugleich dem Zweck, Einfluss auf demokratische Institutionen, Organisationen und Repräsentanten auszuüben bzw. ihn bei diesen zu gewinnen. öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus einen demokratischen Anstrich verleihen. Schwerpunkte der Agitation der VVN-BdA waren der Antisemitismus, der Rassismus und der Sozialabbau." 
Zitat ende.
Interessant. Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau ist also gefährlich und überwachungswürdig? Und rechte Terrorzellen, die 13 Jahre lang morden, verschläft man währenddessen? Will man sie nicht sehen? Sind Morde an MigrantInnen für manchen Konservativen im Land nur Morde zweiter Klasse? Ist das Ignoranz? Ist das Doofheit?
Dieses Zitat ist auch keineswegs von mir aus dem Zusammenhang gerissen worden. So steht das in einem Bericht eines Landesverfassungsschutzes, den wir alle als Steuerzahler mit unseren Steuergeldern mit finanzieren. Als eigenständiger Abschnitt über eine Organisation steht das da drinnen, die seit Jahren den Kampf gegen Braune Agitatoren in Form von Gegendemonstrationen, Mahnwachen und Ähnlichem unterstützt. Bildungsarbeit vor kritischen jungen Menschen, durchgeführt von Überlebenden des Holocausts.


Ich möchte, dass dieses Zitat bekannt wird. Bei großen MigrantInnenorganisationen und beim Zentralrat der Juden. Liebe Leserinnen und Leser: Gebt dieses Zitat bitte an Menschen weiter, die mit ihren Organisationen die Macht haben, so etwas zu einer öffentlichen Peinlichkeit in die Medien zu expedieren.


Allein das Wort "Agitation" für jemanden zu gebrauchen, der sich gegen Antisemitismus und Rassismus wendet, zeugt von einer Einstellung, die bei Sicherheitsbehörden in einer Demokratie nichts zu suchen hat. Sie lässt jede Form von Gespür, Manieren und Realitätssinn vermissen.


Sie lässt mich nur Scham empfinden. Scham für ein Land, Scham für ein System. Scham für Menschen, die nichts verstanden haben. Die Verfassung, die sie schützen sollen schon gar nicht. Eine Verfassung, der viele von ihnen unwürdig geworden sind. Vor allem die Chefs und über ihnen die konservativen politischen Entscheider. Schon lange, vor sie durch komplette Unfähigkeit aufgefallen sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.