Dienstag, 18. Oktober 2011

Der tödliche Geldmarktvirus

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine einzelne Finanzratingagentur kann einen Staat erpressen. Kann jeden Staat erpressen. Einfach so. Das hat weder ein Fugger, noch ein Medici in diesem Ausmaß geschafft. Kein Krupp, kein Bohlen und Halbach. Kein De Beers, auch kein Bill Gates hatte diesen Einfluss.

Warum sehen so viele intelligente Menschen zu? Menschen, die VWL oder BWL studiert haben. Sie gucken wie die Maus auf die Schlange. Mit großen Augen. Vielleicht ahnen sie etwas. Aber sie verdrängen es, sehen nicht, was vor ihren Augen für eine unglaubliche Farce passiert.
Was ist das für ein System, gegen das jedes Hütchenspiel in einem Bahnhofsviertel seriös wirkt?

Wie funktioniert dieses Spiel? Ein Erklärungsversuch in Kurzform:

Eine Ratingagentur (wir nennen sie mal Moodys) zwingt eine Regierung in medienwirksamen Aktionen, eine neoliberaler Kaputtsparpolitik auf Kosten der Ärmsten durchzuführen, in dem sie ihr androht, die Kreditwürdigkeit ihrer Staatsanleihen, über die sie den Staat refinanziert, herab zu setzen. Sie hält ihr aber als scheinbar letzte Chance ein vermeintliches Rettungsseil vor die Nase mit folgendem Satz: "Davon könne gegebenenfalls dann abgesehen werden, wenn die Regierung an den richtigen Stellen zu sparen beginne."

Die richtigen Stellen in den Augen dieser Finanzknallköpfe sind natürlich immer die Infrastruktur, das Sozialsystem, die Kultur und die Bildung. Alles das, was ein Gemeinwesen ausmacht. Hier ist das Kaputt machen am einfachsten. Bei den Großkopferten wäre es schwieriger, an ihre Asche zu kommen. Vermögen sind schließlich mittlerweile international.

Der ursprüngliche Grund für das Vorgehen der Agentur ist eigentlich banal. Es wurden in den letzten Jahren von den westlichen Industrienationen horrende Bürgschaften aufgenommen, die allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung - nicht ganz zu unrecht - nicht weit weg von echten Schulden sind. Dies geschah 2008 und 2009 um Banken zu retten, deren Zusammenbruch gefährlich für die umgebende Volkswirtschaft schien.

Es handelt sich auch um solche Banken, die mittlerweile selbst komischerweise schon wieder mit TOP-Werten von diesen Ratingagenturen ausgestattet sind. Aber dort in den Chefetagen erinnert man sich schon nicht mehr dran. Die Vergesslichkeit in dieser Branche ist schon fast Alzheimeresk. 

Dann hat so ein Staat, nennen wir ihn jetzt der Einfachheit halber mal Frankreich, genauso wie viele andere auch, in 2010 / 2011 zusätzliche Bürgschaften aufgenommen, um ein anderes Land zu retten. Nennen wir es der Einfachheit halber Griechenland. Dies hat er getan, nicht weil er so nett war, sondern um sich selbst zu schützen. Seine eigenen Bürger zu schützen vor den Folgen, die durch die Pleite Griechenlands auch das eigene Land treffen könnten. Man ist ja eng aneinender gebunden in diesem Europa. Mehr, als man es jahrelang wahrhaben wollt...

Eine gemeinsame Währung bedeutet 'mitgehangen, mitgefangen'. Diese De-Facto Pleite Griechenlands, die erst dann so richtig in Schwung kam, als die selben Ratingagenturen  wöchentlich ihren Senf dazu abgaben, wie schlecht es um den Mittelmeeranrainer doch bestellt sei, sie hat auch die anderen Volkswirtschaften nicht unbeteiligt gelassen.


Aber nun zurück zu dem Mitglied des Rettungsschirmes, nennen wir diesen einfach mal  'Bürgschaftshütchenspiel mit reeller Inflationschance': Die Wirtschaftsdaten werden nun natürlich auch bei den Bürgen-Ländern (hier als erstes Opfer eben Frankreich) schlechter. Die Leute bekommen es langsam richtig mit der Angst, werden also nichts mehr investieren, selbst wenn sie noch Erspartes haben. Jeden Tag werden sie zudem in den Abendnachrichten mit diesen Problemen berieselt, ohne dass sie verstehen, was da gerade passiert.

Dieser Konsumausfall und der damit verbundene Einnahmeausfall an Steuereinnahmen zieht wiederum in immer schnellerer Folge erneut noch schlechtere Ratings nach sich , was in der Folge zu noch mehr 'kaputt sparen' und gleichzeitig zu weiteren sinnlosen und ruinösen zig-Milliarden teuren Rettungsbürgschaften der mit im Boot sitzenden Nachbarländer führen könnte. Was wiederum über kurz oder lang in die Staatspleite des genannten Geberlandes und zu ebenfalls schlechteren Ratings der Geber-Nachbarländer führen dürfte. Schön in der Reihenfolge, wie gesund sie vorher waren. Trotzdem wie beim Domino. Schön einer nach dem anderen,

Aber nicht wenige Bürger und auch manche Abgeordnete haben manchmal doch noch ein gesundes Bauchgefühl. 'Hier stimmt etwas nicht. Hier stinkt etwas ganz massiv.' Es kann also passieren, dass es nicht zum äußersten Szenario, der unmittelbaren Staatspleite in den Rettungsschirmaufspannländern kommt, weil dort der Bevölkerung schlicht nicht mehr vermittelbar ist, weitere Sicherheiten mit imaginärem Buchgeld zu geben. 

Da dies langfristig aber trotzdem keine Lösung des Problems herbei führt, und die Krise auf mittlerer Flamme weiter vor sich hin schmort, wird spätestens jetzt zu Buchhaltungstricks gegriffen. Einer dieser Tricks wird es sein, die Zentralbank der EU dazu zu nötigen, in Masse diese nicht mehr an die Bevölkerung zu bringenden Kaputtgerateten Staatspapiere aufzukaufen, was wiederum in großen Mengen frisches Geld auf den Markt werfen soll. Begonnen wurde damit ja bereits.

Die erhoffte positive Wirkung verpufft allerdings, da die Volkswirtschaften in Rekordtempo weiter schrumpfen, die Kreditvergabe der Banken wie in der Bankenkrise durchsackt und keiner von diesem Geld etwas hat. Keiner traut keinem mehr. Jeder bunkert seine Werte (so noch etwas da ist) möglichst sicher.

Und die Zentralbank steht danach selber da wie eines der Bad-Bank-Institute, die 2009 die Risiken der Bankenrettung auslagern sollten. Als Atomares Endlager finanzieller Verbindlichkeiten, das bei der kleinsten Erschütterung zur Kernschmelze bereit ist.

Doch das Spiel geht weiter. Immer weiter. Niemand gebietet Einhalt. Augen zu und durch. Ein paar Versprengte sitzen vor Banken. Oder sie zünden Autos von Unschuldigen an, denen es genauso dreckig geht, wie ihnen selber. Es geht so lange weiter, bis es irgendwann heißt: Rien ne va plus.“ Und der große Kartengeber am weltweiten Spieltisch den letzten Einsatz fordert...

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