Mittwoch, 28. September 2011

"In The Ghetto..." oder: Typisch deutsch - von der gelben Linie bis zum Oktoberfest.

Kennen sie das auch? Man kommt morgens auf den Bahnsteig. Hat noch ein paar Minuten bis der Zug abfährt. Und dann sieht man sie auch schon dastehen: Sie sind mit einer gelben Linie umgeben. Einkaserniert wie mit einer nicht vorhandenen virtuellen Fußfessel. Die Raucher.

Nicht, dass es mich selber wirklich betreffen würde. Ich geh wohl sogar als Nichtraucher durch. 2 mal im Jahr zu einem guten Wein oder Premiumkaffee ne Zigarre oder eine extra teuere Zigarillo zählt nicht wirklich. Für Süchte bin ich eher nicht anfällig. Vielleicht kann ich mich dadurch auch in die Verhaltensweisen vieler Menschen nicht hineinversetzen. Mag sein.

Trotzdem ist mir das Verhalten der klassischen Bahnsteigraucher und innen ein Rätsel. In welchem Land der Erde kann man Menschen im Freien mit einer durchgezogenen Linie dazu zwingen, sich für eine eher alltägliche Sucht in ein Ghetto auf Zeit einzäunen zu lassen? Selbst Kühe brauchen einen Weidezaun, damit sie nicht in die Pampa ausbüchsen. Siehe Kuh Yvonne. Nur bei Deutschen Micheln reicht eine gelbe, durchgezogene Linie.

Natürlich. Es gibt sie. Die Hormonbabies (oft zwischen 12 und 18), denen es schnurzegal ist und die sich nicht an diesen Unfug halten. Die übertreiben es dann meistens, aber auch nur, so lang die Hormone in ihrer Pubertät durchgehen mit ihnen. Werden sie älter, werden auch sie in der Regel zahnlose Tigerlein. Gefeiert und ausgelassen ist man hier zu Lande eben immer nur geballt. Zu allem braucht man einen Anlass, einen Grund, ein Amt, einen Passierschein.

Im Fasching genau wie zur Oktoberfestzeit. Der Deutsche braucht Regeln zum feiern, Regeln zum rumsüchteln, Regeln, die ihm sagen, was erlaubt ist und was nicht. Eine Uhrzeit, einen Ort. Eine gestempelte Vollmacht. Hat unser Deutscher Michel und unsere Deutsche Micheline dies alles, dann wird bis zur Orgie und Massenschlägerei alles durchexerziert. Immer extrem.

Extrem spießig oder sich extrem fallen lassen, Vulgär und unverschämt anderen gegenüber gehört dabei fast immer zum Grundrepertoir. Beim Petzen von eigenständigen Menschen, die an Nichtfeiermontagen vermeintliche Regeln übertreten oder die es sich erlauben, mal etwas anders oder skuril zu sein, wenn gerade kein Oktoberfest oder kein Fasching ist. Vulgär und unverschämt natürlich genauso beim Feiern mit vermeintlicher Rosenmontagskomasauferlaubnisbescheinigung gegenüber denen, die genau an dem Tag mal ihr Ruh wollen oder brauchen. Denen gegenüber, die andere Interessen, Hobbies, Lebensweisen bevorzugen. Wer nicht mittut, was alle tun, dann, wenn es alle tun, der wird gedisst, gehackt, gemobbt, verachtet.

Ich gehöre zu den seltsamen Menschen, die weder zugekotzte Toiletten und Kippenberge lieben, weder im Nahverkehr noch sonst wo. Die auch keine schwachsinnigen gelbe Linien brauchen, um sich etwas erlauben oder verbieten zu lassen. Ich feier dann, wenn ich Lust habe, weiß dabei trotzdem (meistens), wann ich aufhören kann und wann ich aufhören will. Ich fahre schneller, wo die 100er Beschränkung Sonntag morgen um Zehn auf der Autobahn ein Schmarrn ist. Und fahre da 30, wo im Winter Tempo 80 zwar erlaubt, aber lebensgefährlich wäre.

Manchmal einfach das eigene Hirn einschalten, liebe Leute! Ihr habt es zum Denken und nicht nur als Ablage für die Checkermütze oder dass es nicht in euren Hals rein regnet. Es geht! Ich habs selber mehrfach ausprobiert und kann es nur weiterempfehlen...

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